Wagagai ist Ugandas größter Produzent von Pflanzen-Stecklingen
Wagagai ist Ugandas größter Produzent von Pflanzen-Stecklingen: Von hier kommen sechs von zehn Begonien und jeder zweite Weihnachtsstern, die in Europa verkauft werden. Der Betrieb neben dem Flughafen Entebbe bei der Hauptstadt Kampala liegt direkt am Viktoriasee. Geschäftsführer Olav Boenders gehört zu einer der drei niederländischen Eigentümerfamilien. Im Interview beschreibt er, warum Uganda ein guter Standort für sein Geschäft ist und was passieren müsste, damit die Löhne steigen.
Uganda als unterschätzter Geschäfts-Standort
Herr Boenders, Wagagai ist mit seiner Klinik oder der Krippe auch sozial sehr aktiv. Ist das vor allem PR?
Nein, wir könnten unser Geschäft mit Sicherheit auch ohne soziales Engagement betreiben. Die ersten Jahre nach Gründung von Wagagai 1999 waren hart, und wir hatten wahrlich genug zu tun. Aber dann klopft es nachts an der Tür, und die Angestellte ist schon in den Wehen, alles voller Blut – wissen Sie, wie viele Frauen in Uganda bei Geburten sterben? Also fahren Sie schnellstens zur nächsten Krankenstation. Und machen irgendwann selber eine auf, weil die medizinische Versorgung so schlecht war. Meine Frau hat dort viel Zeit und Energie verbracht, da sie auch immer eng mit der Farm verbunden war. Sie war es auch, die von den Arbeiterinnen hörte, dass eine Krippe eine große Erleichterung wäre. Und so haben wir bereits 2001 eine Krippe gegründet - sicherlich nicht aus PR-Gründen, sondern weil sowohl die Farm als auch die Frauen davon profitierten.
Sie würden Ihr Geld wieder in Uganda investieren?
Ja. Ich lebte und arbeitete über 30 Jahre lang in verschiedenen Ländern Afrikas und habe den Vergleich. Uganda ist, trotz der Auseinandersetzungen bei den jüngsten Wahlen, ein friedliches Land. Ich habe noch nie von Angriffen auf Betriebe wie in Äthiopien gehört. Es gibt zwar Dutzende Volksgruppen, aber nicht diese Spannungen wie in Ruanda oder Burundi. Wir spüren im Betrieb nichts davon, auch keine konfessionellen Spannungen. Ich glaube, dass die Ugander ein großartiges Beispiel dafür sind, wie verschiedene Stämme, Religionen und Kulturen friedlich zusammenleben können. Ich lebe und arbeite sehr gerne seit über 20 Jahren in Uganda.
Warum investieren ausländische Firmen dann so zögerlich in Uganda?
Das weiß ich auch nicht. Vielleicht verkauft sich das Land nicht so gut, wie es könnte? Uganda hat wirklich eine Menge zu bieten und ist insgesamt sehr offen gegenüber ausländischen Investitionen. Neue Investoren haben viele Vorteile, von Steuererleichterungen bis hin zu steuerfreien Zonen. Auch grundlegende Dinge, wie die Rückerstattung der Mehrwertsteuer, sind sehr gut organisiert. Wir erhalten sie innerhalb von sechs Monaten zurück, das wird alles elektronisch abgewickelt. Viele Länder um uns herum haben damit große Probleme. Im Übrigen gibt es keine Beschränkungen für die Devisen, die wir verdienen.
Wie arbeiten die Behörden?
Nehmen Sie unsere Importe: Wir können unsere eigenen Produktionsmittel wie ein Zollfreilager ohne Abgaben einführen, die Container kommen verplombt bei uns an. Mitarbeiter der Uganda Revenue Authority vergleichen dann den Inhalt mit den Rechnungen. Sie öffnen vielleicht nicht jeden Container, wir müssen aber darauf gefasst sein. So wird gewährleistet, dass wir nicht etwa das unverzollte Gewächshaus aus Indien im Land weiterverkaufen. Wir haben auch alle zwei, drei Jahre eine große Betriebsprüfung.
Ausländische Mitarbeiter in den Top-Positionen
Wer managt Ihren Betrieb?
Nach zwölf Jahren anstrengendem Aufbau der Farm kehrte ich 2011 in die Niederlande zurück. Von hier aus führe ich die Geschäfte, zusammen mit meinem Partner, der in Großbritannien lebt. Das Tagesgeschäft leitet das Team vor Ort. Vor Corona flog jeder von uns beiden etwa zehnmal jährlich für eine oder zwei Wochen nach Uganda. Als wir wegen der Pandemie in Europa festsaßen, waren wir überrascht, wie gut sich das jetzt alles mit Telefonaten und Videocalls steuern lässt. Das lokale Team hat fantastisch gearbeitet.
Und wer führt bei Wagagai in Uganda selbst?
Ab 1. Juli dieses Jahres wollen wir das Management vollständig in lokale Hände geben. Geschäftsführer wird dann der heutige Technik-Chef, ein irischstämmiger Kenianer. Finanzchef ist ein Inder. Insgesamt arbeitet ein halbes Dutzend Ausländer auf der Farm. Die Abteilungen Personal und Export werden von Ugandern geleitet, ebenso unsere Krankenstation.
Warum benötigen Sie überhaupt noch Ausländer?
Für die Topjobs ist von den Ugandern einfach noch niemand so weit. In den ersten Jahren waren wir ein Dutzend Expats auf der Farm, heute haben ugandische Beschäftigte immerhin die zweite Ebene übernommen. Wir forcieren das weiter. Für das Finanzressort hätten wir eine langjährige, fähige und auch sehr vertrauenswürdige ugandische Mitarbeiterin, aber die ist erst in fünf bis zehn Jahren so weit.
Wie ist Ihre restliche Belegschaft zusammengesetzt?
Gut zwei Drittel unserer über 2.000 Angestellten sind Frauen. Ein Großteil der Arbeit besteht aus dem Schneiden und Ernten der Stecklinge. Und das können Frauen im Schnitt einfach besser und schneller als Männer, sie bleiben auch länger im Betrieb.
Wie hoch ist die Fluktuation?
10 bis 15 Prozent bei den einfachen Tätigkeiten – was auch zeigt, dass die Leute, zumal hier in der Hauptstadtgegend, alternative Arbeitsmöglichkeiten haben. Bei den höheren Posten haben wir praktisch keine Fluktuation. Bei der letzten Jubiläumsveranstaltung ehrten wir über 300 Leute für ihre zehn- oder fünfzehnjährige Betriebszugehörigkeit.
Bessere Löhne durch Faitrade – aber Verbraucher zögern
Was zahlen Sie?
Der Basis-Bruttolohn für die einfachen Jobs beträgt bei uns knapp 50 Euro im Monat. Hinzu kommen Ernteboni sowie Essen, medizinische Versorgung und Fahrt- und Wohngeld etc., womit sich der Bruttolohn auf umgerechnet über 70 Euro summiert. Dieser niedrigsten Lohngruppe gehört ein Drittel unserer Beschäftigten an. Vor zehn Jahren lag der Basislohn noch bei 30 Euro. Die Kaufkraft unserer Arbeiter hat sich deutlich verbessert.
Können Sie nicht mehr bezahlen?
Natürlich würden wir gerne die niedrigsten Gehälter erhöhen – aber dafür muss sich in dieser Welt systematisch etwas daran ändern, wie Produzenten bezahlt werden. Als Betrieb der Landwirtschaft zahlen wir deutlich über Standard, und im Gartenbau sind wir sicherlich eines der bestzahlenden Unternehmen. Mehr können wir nicht tun, wir wären sonst schnell raus aus dem Markt. Anfangs produzierten wir Rosen – bis sich die Preise dafür in kurzer Zeit nahezu halbierten, von zwölf Eurocent das Stück auf sieben Cent. Wir müssen uns nichts vormachen: Die niedrigen Löhne sind, zusammen mit dem Klima, der Hauptgrund, warum wir – aber auch andere - in Uganda sind.
Verkaufen Sie Ihre Stecklinge auch als Fairtrade?
Die 50 Euro Basislohn sind der Tatsache geschuldet, dass unser deutscher Kunde Fairtrade-zertifiziert ist, sonst wäre das Niveau vermutlich noch niedriger. Leider bekamen wir 2020 von insgesamt 54 Millionen Weihnachtssternen gerade mal für 1,5 Millionen den Fairtrade-Preis. Das sind keine 3 Prozent – und ein paar Promille in Bezug auf die 500 Millionen Blumen, die wir jährlich insgesamt verkaufen. Wir versuchen den Faitrade-Anteil seit Jahren zu steigern. Aber da müssen die Konsumenten in Europa mitziehen.
Wer sind Ihre Kunden?
Unser Absatz verteilt sich etwa hälftig auf ein deutsches und ein niederländisches Unternehmen. Diese beiden Partner liefern uns zunächst Elitepflanzen (Sämlinge). Daraus erzeugen wir geschnittene Stecklinge, die wir ihnen zurückschicken. In Erde eingepflanzt, gehen die Pflanzen dann von dort an eine Vielzahl von Firmen, die daraus die ausgewachsenen, fertigen Blumen und Topfpflanzen heranziehen und an Supermärkte oder andere Einzelhändler verkaufen. Das ist also ein ziemlich komplexes Geschäft. Wir müssen uns dabei glücklicherweise nur um das Wachstum der Pflanze in einer bestimmten, wenn auch wesentlichen Phase kümmern.
Welche Blumen ziehen Sie hauptsächlich?
Von den insgesamt 500 Millionen Stück sind an die 300 Millionen Chrysanthemen. Damit beliefern wir ein Fünftel des europäischen Marktes, mit den 45 Millionen Begonien 60 Prozent und mit den 54 Millionen Weihnachtssternen 50 Prozent. Unsere Blumen wachsen allesamt in Gewächshäusern auf insgesamt 37 Hektar.
Uganda als Europas Chrysanthemen-Garten
Wie ist Ugandas Blumenbranche aufgestellt?
Das Land hat klimatisch beste Voraussetzungen für Begonien oder Weihnachtssterne und liefert auch 70 Prozent aller in Europa verkauften Chrysanthemen. Für Rosen allerdings ist es etwas zu warm und feucht, die Köpfe werden nicht sehr groß. Kenia oder Äthiopien exportieren insgesamt deutlich mehr Blumen. Global gesehen liefert Ostafrika fast ausschließlich nach Europa und, mit großem Abstand, in den Nahen Osten. Südamerika, wo die Produktionskosten übrigens höher sind, versorgt Nordamerika.
Wer produziert diese Exportblumen in Uganda?
Im Land gibt es ein gutes Dutzend größere Blumenfarmen. Fünf davon, alles Niederländer, erzeugen Stecklinge, die anderen ausgewachsene Blumen. Insgesamt dürften an die 6.000 Menschen in der Branche arbeiten. Mit unseren gut 2.000 Beschäftigten sind wir im Land der größte Erzeuger.
Konkurrieren die Produzenten untereinander?
Die Welt ist groß genug für uns alle. Jeder spezialisiert sich auf bestimmte Sorten und hat seine Abnehmer, wir kommen uns da nicht in die Quere. Im Gegenteil, wir helfen uns gegenseitig. Wir haben uns in der Uganda Flowers Exporters Association und in der Fresh Handling Limited zusammengeschlossen und gemeinsam schon einiges bei den Behörden erreicht. Beispiele sind die heute rechtzeitige Rückerstattung der Mehrwertsteuer und das Covid-bedingte Aufschieben von Steuerzahlungen. Zudem können heute die meisten Farmen unter einer Lizenz der Uganda Free Zone Authority zollfrei importieren.
Niederländische Anschubfinanzierung war wichtig
Erhielten Sie auch Unterstützung aus den Niederlanden oder durch Entwicklungsbanken?
Wir sind heute schuldenfrei und brauchen keine Bankkredite mehr. In den ersten Jahren hatten wir von öffentlichen Stellen in Europa allerdings wichtige Unterstützung: Ganz am Anfang bekamen wir aus den Niederlanden Subventionen für zwei Einzelmaßnahmen. 2006 unterstützte uns die deutsche DEG mit einem Kredit, als wir wegen der Umstellung von Rosen auf Stecklinge massiv investieren mussten.
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Das Interview führte Ulrich Binkert von Germany Trade & Invest im März 2021.