Sandfiltrationsbecken in einer Wasseraufbereitungsanlage in Assuan, Ägypten

Sandfiltrationsbecken in einer Wasseraufbereitungsanlage in Assuan, Ägypten

Ägypten gehört zu den wasserärmsten Ländern der Welt und bezieht mehr als 85 Prozent seines Wassers aus dem Nil. Das Problem der Wasserknappheit in Ägypten wird sich verschärfen: infolge des Klimawandels, aufgrund des schnellen Bevölkerungswachstums und durch den neuen Staudamm, der derzeit in Äthiopien gebaut wird und erhebliche Wassermengen des Blauen Nils aufstauen wird. Die ägyptische Regierung plant daher umfangreiche Investitionen in die Wasserversorgung – bis zum Jahr 2037 sind es circa 50 Milliarden US-Dollar. Auch bei Unternehmen und in der Landwirtschaft wird der Bedarf an Anlagen zur sparsamen und effizienten Nutzung von Wasser steigen.

Um deutschen Unternehmen einen besseren Zugang zu den Geschäftschancen des Marktes zu ermöglichen, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im Rahmen des Wirtschaftsnetzwerks Afrika mit Dr. Peter Riad einen Branchenexperten vor Ort eingesetzt. Der promovierte Ingenieur ist seit über 19 Jahren in der Wasserwirtschaft tätig und arbeitet seit Februar 2021 als Branchenexperte an der AHK Ägypten in Kairo. Im Interview beschreibt er die vielfältigen Chancen des Marktes und verrät, wie er deutsche Unternehmen mit lokalen Projekten vernetzt.

Das Ohr am ägyptischen Wassermarkt

Herr Dr. Riad, was hat Sie an der Aufgabe des Branchenexperten für die ägyptische Wasserwirtschaft besonders gereizt?

Dr. Peter Riad BMWK Dr. Peter Riad

Das Thema Wasser liegt mir als Ingenieur bereits lange am Herzen. Dabei habe ich schon während meiner Ausbildung die ägyptische und die deutsche Perspektive verbunden. Meine fachliche Ausbildung begann in Kairo, wo ich an der Ain Shams University einen Abschluss in Bewässerung und Hydraulik gemacht habe. Im Jahr 2008 folgte mein Master in Water Science Engineering an der UNESCO-IHE im niederländischen Delft. Schließlich habe ich 2012 an der Leibniz Universität Hannover promoviert. Danach war ich als Berater in nationalen und internationalen Projekten sowie als Dozent an verschiedenen Forschungsinstituten und Ministerien in Ägypten tätig.

Als Branchenexperte kann ich nun die Erfahrungen aus der deutschen und der ägyptischen Wasserwirtschaft sehr gut kombinieren und in das Wirtschaftsnetzwerk Afrika einbringen. Der Wassersektor in Ägypten ist im Moment aufgrund der aktuellen Herausforderungen sehr dynamisch. Ich sehe große Chancen für deutsche Unternehmen, von dieser Entwicklung zu profitieren.

Wasserwirtschaft ist in Ägypten Schlüsselthema

Wo liegen die Geschäftschancen für deutsche Unternehmen im ägyptischen Wassersektor?

Ägypten hat ein Defizit an Wasserressourcen von circa 20 Milliarden Kubikmetern pro Jahr. Das Land begegnet dieser Herausforderung, indem es Abwasser aufbereitet und in der Landwirtschaft wiederverwendet. Um Wasserverluste zu reduzieren, setzt Ägypten verstärkt auf moderne Bewässerungstechniken. Die Sanierung von Wasserkanälen, Kanalisation und Rohrleitungsnetzen kommt ebenfalls voran. Meerwasserentsalzung ist auch ein wichtiges Thema. Es gibt viele laufende Projekte, die meist in Form öffentlich-privater Partnerschaften durchgeführt werden.

Ägypten ist dabei für deutsche Unternehmen nicht nur aufgrund seines großen Binnenmarkts interessant. Es gilt auch als das Tor nach Afrika, zum Nahen Osten und in andere Märkte der Golfregion. Mit Unterzeichnung mehrerer bilateraler und regionaler Freihandelsabkommen wird zudem ein zollfreier Export für ägyptische Produkte in viele afrikanische Länder möglich.

Haben Sie Beispiele für aktuelle Projekte in Ägyptens Wassersektor?

Derzeit werden zwei große Kläranlagen gebaut. Die Anlage in Bahr Al Baqar soll einmal 5,7 Millionen Kubikmeter pro Tag für die Bewässerung von 400.000 Hektar produzieren. Die Leistung einer weiteren Anlage am Standort El Hammam wiederum soll 6 Millionen Kubikmeter Wasser pro Tag betragen. Damit kann eine Fläche von 500.000 Hektar im Neuen Delta bewässert werden. Parallel dazu gibt es zahlreiche Projekte zum Bau und zur Erneuerung von Wasser- und Abwassernetzen in Städten.

Besonders viel tut sich bei der Meerwasserentsalzung. Allein bis Ende 2022 sollen 19 neue Entsalzungsanlagen gebaut werden, die eine Gesamtkapazität von 550.000 Kubikmeter pro Tag haben und 1,7 Millionen Einwohner versorgen sollen. Bis 2050 sind weitere 67 Anlagen zur Wasserentsalzung vorgesehen mit einer Kapazität von insgesamt 6,4 Millionen Kubikmeter Wasser pro Tag. Darüber hinaus gibt es Pläne für neue Städte und die Rekultivierung von 1,5 Millionen Hektar in der Western Desert.

Was ist das Besondere am Angebot des Branchenexperten? Wie unterstützen Sie deutsche Unternehmen?

Wir hören oft, dass es den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) an Ressourcen und Know-how fehlt, Geschäfte in Afrika aufzubauen. Genau hier bieten die Branchenexperten kontinuierlich Unterstützung. Wir sind als Teil des Wirtschaftsnetzwerks Afrika nah an den lokalen Märkten. Wir analysieren den Bedarf vor Ort und identifizieren Geschäftsmöglichkeiten vor allem im Privatsektor, die wir dann an die Geschäftsstelle weiterleiten. Unsere Dienstleistungen sind kostenlos.

Wie können deutsche Unternehmen das Angebot nutzen?

Der Kontakt läuft über die Geschäftsstelle des Wirtschaftsnetzwerks Afrika. Wenn sich deutsche Unternehmen dort registriert haben, erhalten sie die Informationen zu möglichen Geschäften in Form von Fact Sheets. Ist ein Unternehmen an einer konkreten Geschäftsmöglichkeit interessiert, reicht es eine Interessensbekundung bei der Geschäftsstelle ein, die diese über den Branchenexperten an das Unternehmen in Ägypten weitergibt. Sofern auch die ägyptische Seite interessiert ist, stelle ich den Kontakt zwischen beiden Unternehmen her. Gegebenenfalls verweise ich auf weitere Beratungsmöglichkeiten zur Realisierung des Geschäfts.

Der Branchenexperte unterstützt also mehrfach: durch die Identifizierung von Geschäftsmöglichkeiten, bei der ersten Kontaktaufnahme der Geschäftspartner bis hin zur Einleitung weiterer Schritte für den Abschluss und die Umsetzung des Geschäfts.

Deutschland könnte mehr liefern

Was sind Ihre Praxistipps für deutsche Unternehmen, um ihre Produkte noch besser auf den ägyptischen Markt zu bringen?

Produkte "Made in Germany" haben auf dem ägyptischen Markt einen sehr guten Ruf. Die meisten ägyptischen Lieferanten im Wassersektor importieren aktuell aus den USA, Italien, Spanien, Finnland, Dänemark – und eben auch aus Deutschland. Die deutschen Lieferungen beschränken sich jedoch häufig auf Mess- und Kontrollausrüstung. Diese wird wiederum nur von einer begrenzten Anzahl deutscher Unternehmen zur Verfügung gestellt. Dabei gibt es hier viel mehr Potenzial in Bezug zu Wasser.

Generell bevorzugen ägyptische Kunden Produkte mit EUR 1-Zertifikat, da diese Produkte zollfrei sind. Viele ägyptische Privatunternehmen zeigen großes Interesse an deutschen Technologien und suchen nach Joint-Venture-Produktionsvereinbarungen, um die Anreize des ägyptischen Gesetzes Nr. 5/2015 (Law on Preference of Egyptian Products in Government Contracts) zu nutzen. Danach werden Gemeinschaftsprodukte mit mindestens 40 Prozent ägyptischen Komponenten als lokale Produkte eingestuft. Diese Produkte werden bei öffentlichen Ausschreibungen bevorzugt berücksichtigt.

Vor allem möchte ich KMU mit Sitz oder Niederlassung in Deutschland, die in der Wasserwirtschaft oder in verwandten Bereichen aktiv sind, ermutigen: Nutzen Sie unser unverbindliches und kostenloses Angebot, Informationen zu konkreten Geschäftsmöglichkeiten in der ägyptischen Wasserwirtschaft zu erhalten. Registrieren Sie sich bei der Geschäftsstelle des Wirtschaftsnetzwerks Afrika.

Weitere Informationen

Das Interview führte Dr. Felix Guntermann von Germany Trade & Invest im Juli 2021. 

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