
eprod/Almut van Casteren
Software von eprod im Einsatz
Almut van Casteren betrieb mit ihrem Mann Jan Willem über Jahre einen Gewürzexport aus Kenia heraus. Damals konnte sie nicht ahnen, dass ein Nebenprodukt des Gewürzhandels, nämlich eine Software, eine Lösung für die Agrar-Lieferketten in ganz Afrika darstellen könnte. Die Software wurde zum Kerngeschäft der van Casterens, die im Jahr 2015 dafür das damalige Start-up eProd gründeten. Mittlerweile hat sich eProd zu einem Scale-up entwickelt, das in 22 Ländern Afrikas aktiv ist. Im Gespräch berichtet van Casteren von ihrem Markteinstieg.
Frau van Casteren, was macht Ihre Software so interessant?

Sie funktioniert natürlich nur, wenn Daten eingespeist werden. Dann aber kann sie zum Beispiel Käufern von Agrarprodukten helfen, die zuliefernden Bauern besser zu managen. In Kenia wie in vielen afrikanischen Ländern wird die Landwirtschaft von Kleinbauern dominiert und zum Beispiel Agrar-Verarbeiter beziehen ihre Rohstoffe von Tausenden von Kleinbauern. Über die Software behält man die Übersicht über Liefermengen, Qualität, man kann die Zahlung darüber abwickeln und kann auch sehen, wie viel an Dünger, Saatgut oder Agrochemie an jeden einzelnen Farmer geliefert wurde.
Sie exportierten Chilis und Paprika nach Europa, bevor Sie mit Ihrer Software Geld verdienten. Wie kam es zu diesem Wechsel?
Genau. Wir arbeiteten mit rund 8.000 Kleinbauern zusammen und brauchten dafür aus den gerade genannten Gründen eine Übersicht. Daraus entstand die Datenbank, die wir mit Informationen füttern konnten. Eine Excel-Tabelle reicht bei der Menge an Bauern nicht mehr aus. Deshalb haben wir zunächst für unseren Eigenbedarf diese Software entwickelt.
Und wann wurde Ihnen klar, dass Sie mit der Software Geld verdienen können?
Wir bekamen Feedback von Anderen. Einmal besuchte uns der Vertreter einer NGO und sagte, wie toll er unsere Software fand. Auch viele NGOs sind ja in der Landwirtschaft aktiv und möchten Informationen über den Erfolg ihrer Maßnahmen sammeln. Wenn man die Software entsprechend konfiguriert, kann man damit viel mehr machen als wir es für unsere Zwecke brauchten. Wir haben das selber gemerkt. Wenn ein Bauer zum Beispiel einen Kredit von einer Bank brauchte, kam er zu uns, ließ sich seine Daten ausdrucken, die wir über ihn gesammelt haben und ging damit zur Bank. Die Bank konnte sehen, wieviel der Bauer über mehrere Jahre produziert hat und wieviel er damit einnahm. Das reichte oft als Information für den Kredit aus. Ein anderes Beispiel: Vor einigen Jahren kam aus Tansania die Coffee Berry Fruit Fly nach Kenia und setzte sich auf die Chili-Schoten. Mit der Eingabe der Daten konnten wir die Ausbreitung lokalisieren und frühzeitig gegensteuern. Die Software kann also auch als eine Art Frühwarnsystem fungieren.
Und dann haben Sie von Gewürzexport auf den Softwarevertrieb umgesattelt…
Ja, wir wohnten an der Küste und als sich dort in der Region Lamu die Sicherheitslage verschlechterte, sind wir nach Nairobi umgezogen. 2014 war der Startschuss für eProd. Allerdings war uns am Anfang auch nicht 100-prozentig klar, wie wir in den Markt kommen. Auch wussten wir nicht, was das Produkt kosten darf und welche technischen Anforderungen erfüllt sein müssen. Gleichzeitig war uns als ehemaligen Gewürzexporteuren der Markt nicht völlig fremd. Wer unsere potenziellen Kunden sein könnten, davon hatten wir eine Idee.
Mehr als 10 Jahre später: Welche Kundschaft haben Sie heute und wie hat sich das Geschäft entwickelt?
Von größeren Playern in der Nahrungsmittelindustrie, über Agrar-Zwischenhändler, Kooperativen bis hin zu NGOs, Regierungsinstitutionen und Banken haben wir eine breit gefächerte Kundschaft. Beispiele für Agrarverarbeiter gibt es viele: Brauereien wie East African Breweries beziehen Sorghum, die Browns-Käsefabrik kauft Milch und auch die Zuckerverarbeiter bekommen den Rohrzucker zum Teil bei Kleinbauern. Banken werden oft als Drittpartei mit ins Boot geholt, um den Bauern Kleinkredite zu geben.
Sie erwähnten auch NGOs als Kunden...
Vor allem in Côte d’Ivoire arbeiten wir mit der NGO Africa Rice zusammen. Africa Rice möchte in mehreren afrikanischen Ländern die Reisproduktion erhöhen und damit die Versorgung an Grundnahrungsmitteln. Dafür entwickelt die Organisation spezielles Saatgut für unterschiedliche klimatische Verhältnisse. Zum Beispiel um die Qualität des Saatgutes messen zu können und auch, um Einsicht in die zur Verfügung stehenden Mengan an Saatgut zu haben, nutzt Africa Rice unsere Software.
Die Daten sind auch interessant für Exporte zum Beispiel in die EU mit Blick auf die Sorgfaltspflichten in der Lieferkette…
Ja, deshalb haben wir auch Exporteure als Kunden. Es gibt in Zielmärkten wie der EU, USA und vermehrt auch China nicht nur Qualitätskontrolle, sondern man will die Lieferketten auch aus Umweltschutz- oder sozialen Gründen kontrollieren. So will zum Beispiel die EU vermeiden, dass Waren importiert werden, die mit Kinderarbeit hergestellt wurden oder für die Wälder gerodet werden müssen.
Wie läuft die Kontrolle seitens der importierenden Staaten ab?
Besonders bedeutend ist aktuell die EU-Entwaldungsverordnung EUDR, die ab Jahresende 2025 umgesetzt werden soll. Unternehmen müssen Sorge dafür tragen, dass für die eingeführten Agrargüter keine Rodungen stattgefunden haben. In der Regel finden am Zielhafen Stichprobenkontrollen für die Dokumente statt. Je höher in einem Land das Entwaldungsrisiko ist, desto häufiger wird kontrolliert. Können die erforderlichen Dokumente nicht vorgelegt werden, drohen den Unternehmen hohe Strafen.
Wie kann Ihre Software hier helfen?
Dafür ist für jeden Bauer ein „Legality Check“ erforderlich. Mit Blick auf die EUDR können wir jede Lieferung einem über GPS ermittelten Polygon zuordnen, also einem Stück Land, das auf einer Karte gekennzeichnet und einem Bauern zuzuordnen ist. Jedes Polygon hat zudem in Bezug auf das Entwaldungsrisiko eine Risikokategorie. Handelt es sich um ein Feld, auf dem schon seit Jahren zum Beispiel Kaffee angebaut wird, ist das Risiko der Entwaldung gering.
Und wie sieht es aus, wenn Wald gerodet werden muss?
Dann ist eine sorgfältige Analyse erforderlich, ob und in welchem Umfang Entwaldung stattgefunden hat. Eine integrierte Risikoanalyse ermöglicht es, solche Fälle frühzeitig zu erkennen. Dadurch kann bereits beim Ankauf des Kaffees auf der Farm die für den Export konforme Ware gezielt separiert werden. Das Risiko, dass nicht-konforme Ware in die Lieferkette kommt, ist sehr gering.
Wie teuer darf die Software denn sein und welche technischen Anforderungen gibt es?
Die Software muss robust, einfach und günstig sein. Gerade Agar-Zwischenhändler und Bauern sind nicht übermäßig flüssig. Unsere Konkurrenten sind einfache günstige Zahlungsapps, weil die Abwicklung der Bezahlung für Viele am wichtigsten ist. Bei uns gibt es noch eine Reihe von Zusatzleistungen, aber es fallen ja neben Lizenzgebühren auch Schulungs- und Implementierungskosten an. Die Nutzer müssen hier ihren eigenen Vorteil erkennen und die zusätzlichen Kosten müssen sich schnell amortisieren.
Was meinen Sie mit "robust"?
Robust heißt vor allem, es muss auch offline funktionieren. Auf den Feldern ist mobiles Internet oft nicht vorhanden. Die Software muss es aber dort ermöglichen, Daten einzuspeisen, die erst später in die Cloud hochgeladen werden. Kommunikation auf dem Land läuft zudem nicht selten über USSD ab, einem Datendienst, den man auch mit Handys nutzen kann, die nicht internetfähig sind.
Am Schluss ein kurzer Ausblick: Welche Trends sehen Sie in den Agrarsektoren Afrikas und wo kann Ihre Software helfen?
Ein wichtiger Punkt ist die Nahrungsmittelversorgung in Afrika. Durch das Bevölkerungswachstum muss immer mehr produziert werden. Einige Länder müssen zunehmend Nahrungsmittel importieren, weil sie mit der Produktion nicht mehr nachkommen. Dabei sind die schlecht ausgeprägten Lieferketten und die zunehmende Übersäuerung der Böden ein Problem. Dann gibt es die zunehmenden Kontrollen in den Zielmärkten für Agrarprodukte. Für ein Land wie Kenia ist die Ausfuhr von Agrargütern ein wichtiger Devisenbringer. Neben Kaffee und Tee exportiert Kenia auch Macadamianüsse, Obst und Gemüse. Für die Bauern ist es essentiell, dass sie die Importanforderungen erfüllen können. Die Digitalisierung ist für die Landwirtschaft daher insgesamt sehr wichtig. Wir tragen mit unserer Software dazu bei.
Das Interview führte Carsten Ehlers von Germany Trade & Invest im im September 2025.
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