Projektbild: Spielzeugproduktion in Sidi Toumi @Nani

Seit Ende der 1970er-Jahre fertigt ein deutsches Unternehmen in Tunesien Spielzeugfiguren aus Kunststoff – inzwischen für zahlreiche bekannte Marken wie Schleich, Tonie, Bruder, Ravensburger und Bullyland. Wie es dazu kam und wie sich das Geschäftsmodell seither entwickelt hat, erklärt der Betriebsleiter Volker Kasten im Interview.

 

Von 70 zu 3.000 Mitarbeitern

Betriebsleiter Volker Kasten, @Nani Nani Betriebsleiter Volker Kasten, @Nani

Herr Kasten, was stellen Sie bei Nani genau her?

Wir sind spezialisiert auf die Herstellung von Kunststofffiguren für Kinder. Am bekanntesten sind sicherlich die Schleichtiere. 

Wann und wie wurde Schleich auf Ihr Unternehmen aufmerksam?

Das war tatsächlich Zufall. Bereits in den 1970er-Jahren stellte die Familie Kraut in Burghaslach Kunststofftiere für Schleich her. In einer Zeitung stieß sie dann auf eine Anzeige über eine Spielzeugfirma in Tunesien. Kurzentschlossen belud sie einen Lkw mit Figuren, fuhr nach Tunesien, kaufte das Unternehmen – und stellte direkt vor Ort neue Mitarbeitende ein. 1978 wurde damit der Grundstein für das gelegt, was heute Nani ist. In den 1980er-Jahren übernahm Paul Kraut gemeinsam mit einem Geschäftspartner die damals insolvente Firma Schleich. Das war der Grund, warum zu Beginn in dem Werk in Tunesien exklusiv für Schleich produziert wurde.

Sie sind seit 2000 Betriebsleiter - wie hat sich das Unternehmen seitdem entwickelt?

Damals waren wir 70 Mitarbeitende in einer kleinen Halle mit 450 Quadratmetern. Heute sind es rund 3.000 Beschäftigte – und unser Tätigkeitsfeld hat sich stark erweitert.

Inwiefern?

Früher wurden die Figuren lediglich bemalt, nachdem sie aus Deutschland geliefert wurden. Inzwischen erfolgt die volle Wertschöpfung hier in Sidi Toumi. Wir erstellen auch die Prototypen und kaufen alles, was wir für die Produktion brauchen, selbst ein. 

Was wird dann noch importiert?

Farben, Kunststoffgranulat sowie Maschinen für Spritzguss und Tampondruck kommen weiterhin aus Deutschland. Alles, was nicht Rohmaterial ist, wie Verpackungsmaterialien und Etiketten, beschaffen wir lokal.

Von der Exklusivproduktion zur Auftragsfertigung

Heute arbeiten Sie mit mehreren großen Spielzeugfirmen zusammen - wie kam es dazu?

Anfangs produzierten wir exklusiv für Schleich. Seit die Familie Kraut nicht mehr an der Firma Schleich beteiligt ist, fertigen wir unabhängig für Marken wie Ravensburger, Bruder oder Tonies.

Wie entstand die Zusammenarbeit mit Tonies?

Ich würde sagen, dass Tonies mit uns groß geworden ist, wir aber auch mit Tonies. Die Gründer kamen mit ihrer Idee zu uns – wir hatten das Know-how für die Figuren, andere Partner das technische Wissen. Anfangs kamen alle Tonie-Figuren ausschließlich aus unserer Fertigung.

Und mittlerweile?

Heute gibt es auch andere Produzenten. Doch Tunesien hat weiterhin Vorteile: Die Nähe zu Europa, gleiche Zeitzone, wettbewerbsfähige Preise – und täglich verlässt ein Container unser Werk Richtung Europa. Hauptabnehmer ist Deutschland, aber wir liefern auch nach England, Frankreich, China, die USA, Spanien und in die Schweiz.

Vorteile für Exportfirmen

Was sind sonst die Vorteile von Tunesien?

Es hatte eine Zeitlang entscheidende Steuervorteile, in Tunesien für den Export zu produzieren. Diese wurden aber fast komplett abgeschafft und wir zahlen nun fast genauso viel Steuern wie tunesische Firmen. Zölle zahlen wir keine, alles was importiert wird, muss aber in verarbeiteter Form wieder exportiert werden. Außerdem haben wir eine funktionierende lokale Zulieferstruktur aufgebaut.

Wer arbeitet bei Ihnen?

Etwa 80 Prozent unserer Mitarbeitenden sind Frauen. Das gilt nicht nur für die Produktion – auch rund die Hälfte der Abteilungsleitungen sind weiblich. Im technischen Bereich dominieren allerdings die Männer.

Bilden Sie im Betrieb auch aus?

Ja, wir bilden im Bereich Spritzgusstechnik aus. Unser Modell: Wir stellen unerfahrene Arbeitskräfte aus der Umgebung ein. Nach einem Jahr Praxis finanzieren wir ihnen das Technikstudium in Sousse – im Gegenzug verpflichten sie sich, drei Jahre bei uns zu bleiben. Das funktioniert hervorragend.

Eigener Bustransport für die Mitarbeiter

Und von wo kommen alle anderen Angestellten her?

Die weiteste Entfernung sind 40 Kilometer. Es gibt Frauen, die haben einen Anfahrtsweg von zwei Stunden. Wir bieten einen Bustransport an, der die Beschäftigten an Sammelpunkten abholt. Es gibt tatsächlich kleine Orte, aus denen alle Frauen komplett bei uns arbeiten. 

Gibt es viel Fluktuation?

Eigentlich nicht und wenn, dann nur in den ersten Monaten. Wir zahlen auch überdurchschnittlich gut - wir bieten Prämien, Zulagen und übernehmen den Transport. Wir haben auch nicht das Problem, dass gut ausgebildete Ingenieure das Werk verlassen. Damit haben andere Unternehmen schon mehr zu tun. Ein Problem sind allerdings gehäufte Fehltage, besonders zum Monatsende.

Und die Konkurrenz in der Region?

Wir sind in einem Industriegebiet, aber da sind wir bisher die einzigen. Gerade sind wir auch dabei, unser Werk zu erweitern. 

Langsame Verwaltung und Rechtsunsicherheit

Was bereitet Ihnen Kopfschmerzen am Standort?

Die Verwaltung. Seit vier Jahren warten wir auf eine Entscheidung zu unserem Antrag für den Status „Projekt im nationalen Interesse“. Obwohl wir alle Voraussetzungen erfüllen, gibt es keine Rückmeldung – das erschwert unsere Planungen erheblich.

Was würde dieser Status bringen?

Das kann verschiedene Investitionsanreize beinhalten, zum Beispiel Zuschüsse oder Steuerbefreiungen. Allerdings ist nicht transparent, wie entschieden wird, welches Projekt welche Anreize erhält. Das ist deprimierend, denn vor dem Bau planen wir solche finanziellen Anreize ja mit ein. 

Der tunesische Zoll wird auch als Schwachstelle gesehen. Haben Sie da Probleme?

Mit dem Zoll haben wir wenig Probleme – unsere Produktpalette ist stabil. Schwieriger ist es für Firmen mit lokalem Absatzmarkt.

Neuerungen im Arbeitsrecht verbieten die Leiharbeit und schränken die Möglichkeiten zu Befristungen stark ein. Was sind die Auswirkungen auf Nani?

Die jüngsten Arbeitsrechtsreformen sollten eigentlich mehr Sicherheit bringen, doch das Ergebnis ist problematisch. Leiharbeit ist verboten, befristete Verträge kaum möglich – das nimmt uns jede Flexibilität bei schwankender Auftragslage. Meiner Ansicht nach hat das Gesetz sein Ziel verfehlt. 

Das Interview führte Verena Matschoß von Germany Trade & Invest im Juni 2025.

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