Daniel Kwaku Merki zusammen mit Paul Ninson, Gründer und CEO des Dikan Centers, Afrikas größter Fotobibliothek

Daniel Kwaku Merki bringt beim Diaspora Investment Desk in Accra Menschen aus der afrikanischen Diaspora und Investitionsprojekte in Ghana zusammen. Im Interview erklärt er, wer die afrikanische Diaspora eigentlich ist, wie Ghana sich um engere Beziehungen zu ihr bemüht und wie europäische Unternehmen davon profitieren können. 

Unter dem Namen Centrum für internationale Migration und Entwicklung (CIM) vermittelt die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) Fachkräfte an Arbeitgeber in Entwicklungs- und Schwellenländer.

Investitionen und Knowhow aus der Diaspora für Ghana

Herr Merki, was genau macht das Diaspora Investment Desk?  

Das Diaspora Investment Desk ist Teil des Ghana Investment Promotion Centers. Dies wurde 2019, im Rahmen des "Year of Return", das an die Ankunft des ersten Sklavenschiffes in Amerika erinnerte, vom ghanaischen Präsidenten ins Leben gerufen. 

Das Ghana Investment Promotion Center betreibt Investitionsförderung. Unser Fokus liegt auf Vernetzung der afrikanischen Diaspora, also Menschen afrikanischer Herkunft, mit und ohne ghanaischen Pass. Für Letztere gibt es zurzeit noch keine spezifischen Regularien. In Zukunft soll ein Gesetz das Engagement dieser Leute in Ghana gezielt fördern. Bis dies so weit ist, bieten wir vor allem Betreuung und Vernetzung an. Mein Arbeitsfokus sind Investments in den Bereichen Nachhaltigkeit, Mobilität und Kreislaufwirtschaft. Wir schauen, ob es dazu Expertise in der Diaspora gibt und wie wir diese Leute an den Projekten beteiligen können. 

Wer ist die Diaspora und welche Rolle spielt sie bei Investitionen in Ghana?

Porträtfoto: Daniel Merki Delegation der Deutschen Wirtschaft in Nigeria Dies ist ein eingebettetes Bild

Wir verwenden, je nach Kontext und mit wem wir zusammenarbeiten, verschiedene Definitionen. Die Afrikanische Union beispielsweise definiert die Diaspora als Menschen "afrikanischer Herkunft", die "außerhalb des Kontinents" leben und sich unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft und Nationalität für die Entwicklung Afrikas und den Aufbau der Afrikanischen Union einsetzen. Diese Herangehensweise hat aber ihre Grenzen, wenn man wie die ghanaische Regierung per Gesetz Investitionsanreize schaffen will. Dann ist es wichtig, genaue Kriterien zu definieren, woran man diese "afrikanische Herkunft" festmacht. 

Gibt es bestimmte Länder, zu denen das Diaspora Investment Promotion Desk besonders enge Beziehungen pflegt? 

Gewissermaßen schon. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Im letzten Jahr hatten wir beispielsweise Reisen in die USA, Belgien und Deutschland, die wirtschaftlich betrachtet sehr stark sind. In den USA gab es sogar einen Glücksfall und ein Amerikaner hat im Nachgang in ein Call Center in Ghana investiert.  

Neben der Marktgröße spielen auch andere Faktoren eine Rolle. Im Frühjahr 2023 gab es eine Tour in die Karibikstaaten Bahamas, Guyana und Barbados. Das sind zwar kleinere Volkswirtschaften als Ghana, sie haben aber eine starke afrikanische Diaspora. Außerdem will Ghana den eigenen Tourismussektor stärken und kann da durchaus von den Karibikstaaten lernen. 

Bei den Reisen gab es einerseits Treffen mit Unternehmen, die an Investitionen in Ghana und Afrika interessiert sind. Andererseits geht es auch immer darum, sich mit Leuten zu vernetzen, die zur afrikanischen Diaspora gehören, ihre Herausforderungen zu verstehen und ihnen den Zugang zum ghanaischen Markt zu ermöglichen. 

Rückkehrer punkten mit Kulturverständnis und Netzwerken

Was müssen Diaspora-Personen mitbringen, damit ein Mehrwert für Handelsbeziehungen zwischen dem Ausland und Ghana entsteht? Da reicht ein gewisses äußerliches Erscheinungsbild nicht aus, oder?

Nein, es hängt weniger von der Hautfarbe ab, sondern von den Erfahrungen und vom Kulturverständnis. Ich bin in der Schweiz aufgewachsen, hatte kulturell keinen Bezug nach Afrika und musste das alles lernen. Nachdem ich drei, vier Jahre hier gelebt habe, konnte ich deutschsprachigen Unternehmen wirklich helfen, die hier Fuß fassen wollen. Aber mein Kulturverständnis für Ghana wird nie so gut sein wie für die Schweiz.

Ich sehe die Diaspora vor allem als Menschen, die im nicht-ghanaischen Ausland gelebt haben, aber viel von der Kultur in Ghana mitbekommen haben. Dabei ist es weniger wichtig, dass jemand die aktuelle Lage in Ghana vollumfänglich kennt. Wichtiger ist das Zwischenmenschliche und dass die Diaspora-Personen wissen, wie man mit den Menschen umgehen muss. Das ist gerade in der Anfangsphase von Geschäftsbeziehungen und bei der Suche nach lokalen Partnern entscheidend. 

Wie könnten deutsche Unternehmen das Potenzial von Diaspora-Gemeinschaften besser nutzen?

Die Informationsbeschaffung vor Ort ist für ausländische Firmen oft schwierig und kostenaufwändig. Hier kann die Diaspora eine wichtige Rolle spielen. 

Wenn ein Unternehmen beispielsweise wissen will, welche Produzenten es für ein bestimmtes Produkt vor Ort gibt, kontaktieren sie in der Regel die lokalen Auslandshandelskammern. Sie erwarten, dass die Informationen schon da sind und sie innerhalb von zehn Minuten kostenlos Auskunft bekommen. Gerade bei spezifischen Anfragen muss man aber auch mal vor Ort recherchieren, um sich ein Bild von der Situation zu machen. Ich denke, dass Leute aus der Diaspora da einen großen Mehrwert bieten können: Sie sind oft gut vernetzt und haben entsprechende Kontakte. 

Es gibt ja auch Menschen, die aus der Diaspora nach Ghana zurückgekehrt sind. Wie nehmen Sie deren Engagement vor Ort wahr?

Da hat sich innerhalb der letzten fünf Jahre sehr viel getan. Viele Leute, die im Ausland waren, kommen zurück und bauen sich in Ghana etwas auf. Hier in Accra sind diese Rückkehrer sehr gut vernetzt, auch weil sie die Entwicklung in Afrika voranbringen wollen. Sie engagieren sich und unterstützen sich gegenseitig vor Ort wie auch in der Diaspora, zum Beispiel, indem sie Informationen und Kontakte weiterleiten. So entwickeln sich Netzwerke: Wenn man eine dieser Personen kennt, hat man plötzlich Zugang zu allen. 

Ein prominentes Beispiel für einen Rückkehrer ist Paul Ninson. Er hat eine Zeitlang in den USA gelebt, ist jetzt wieder in Ghana und hat mit dem Dikan Center die größte Fotobibliothek Afrikas gegründet. Das Center ist ein zentraler Knotenpunkt, wo man sich trifft. Der Ehemann von Kamela Harris, Vizepräsidentin der USA, war beispielsweise auch schon dort. Leute wie Ninson schaffen wichtige Schnittstellen. Hier finden ausländische Unternehmen Zugang zu Informationen und Partnern. Das ist in Ghana besonders wichtig, weil alles über Empfehlungen läuft. 

Ebenso helfen Programme wie "Afrika kommt!", die den Austausch zwischen Fach- und Führungskräften aus Afrika mit der deutschen Wirtschaft fördern. Ehemalige Teilnehmer, die in Deutschland waren, führen jetzt vielleicht in Afrika selbst Büros in einem bestimmten Industriebereich. Sie sind dann interessante Geschäftspartner, aber auch wichtige kulturelle Übersetzer für die ghanaische Seite. Sie können Geschäftsleuten in Ghana deutsche Gepflogenheiten näherbringen und mit Kontakten helfen. 

Man darf nicht vergessen, dass jeder Informationen immer durch die eigene kulturelle Brille sieht und interpretiert. Wenn jemand nur eine Seite kennt, dann kommt es bei Auslandsgeschäften leicht zu Missverständnissen. Manchmal stellt sich die Lage vor Ort ganz anders dar, als man sich das vorgestellt hat. Wenn jemand beide Seiten kennt, kann dies Geschäftsbeziehungen gerade am Anfang erleichtern. 

Afrikabild im Wandel

Was für eine Denkweise ist typisch für die Diaspora und Rückkehrer? Wie sehen diese Leute Afrika? 

Viele der Leute, die zurückkehren und Projekte oder Unternehmen gründen, glauben an ein "Afrika der Möglichkeiten". Es geht darum, als Afrikaner selbst Projekte umzusetzen. Gleichzeitig ist allen klar, dass man international zusammenarbeiten muss, um Industrien und Wertschöpfungsketten weiterzuentwickeln. Man ist also offen, will aber einige Probleme auch selbst lösen.

Inwiefern beobachten Sie einen Wandel, wie Unternehmen Diaspora-Personen einbinden?

Ausländische Firmen stellen bei Positionen, die früher mit Ausländern besetzt wurden, heute eher Rückkehrer oder Ghanaer ein. Auch wenn diese mittlerweile ebenfalls hohe Gehälter fordern, ist es viel teurer deutsche Fachkräfte zu entsenden. Und: Rückkehrer oder Ghanaer kennen sich viel besser mit der Kultur und Geschäftspraxis vor Ort aus. 

Das Interview führte Carolina Zishiri von Germany Trade & Invest im Mai 2023.