Online-Tool Mittelstandsindex Afrika unterstützt beim Markteintritt mittelständischer Unternehmen in Afrika
Ein Index, der 33 afrikanische Länder unter die Lupe nimmt und den Markteintrittsprozess eines mittelständischen Unternehmens abbildet – das ist das Ergebnis einer Kooperation zwischen der Hochschule Bonn Rhein-Sieg und der Agentur für Wirtschaft und Entwicklung (AWE). Der Mittelstandsindex Afrika wurde erstmals 2019 veröffentlicht. Im Mai 2024 hat er seinen Relaunch erfahren und wartet mit neuen Funktionen auf. Wie deutsche Unternehmen das Digitaltool nutzen können und welche afrikanischen Länder im Ranking besonders gut abschneiden, erläutern die beiden Kooperationspartner im Interview.
Der Index passt sich seinen Nutzern an
Herr Koetsier, für wen ist der Mittelstandsindex Afrika?
Der Mittelstandsindex ist eine Entscheidungshilfe für deutsche Unternehmen, die einen Zielmarkt in Afrika für sich auswählen wollen. Er gibt eine erste Orientierung über die Marktchancen und Rahmenbedingungen in 33 afrikanischen Ländern. Wir sehen das Tool als ersten Schritt auf dem Weg zu einem wirtschaftlichen Engagement in Afrika.
Herr Geyer, welche Funktionen sind mit dem Relaunch neu hinzugekommen?
Wir haben die Dimension der Nachhaltigkeit als einen weiteren Schlüsselindikator eingebracht. Ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit sehen wir als wirtschaftliche Notwendigkeit und als Erfolgskriterium auf dem afrikanischen Kontinent. Außerdem haben wir den Index zu einem Digitaltool weiterentwickeln lassen. Vorher bestand der Mittelstandsindex in rein tabellarischer Form, das ist nur etwas für Zahlenmenschen. Die neue Darstellung in einer Afrikakarte ist viel nutzerfreundlicher und macht die Inhalte zugänglicher. Auch die Funktion „Mein Index“ ist neu: Damit können Unternehmen die Kriterien individuell für sich anpassen und Ländervergleiche anstellen.
Haben Sie ein Beispiel für solch eine individuelle Anpassung?
Für einen Tiernahrungshersteller ist der Dienstleistungssektor möglicherweise weniger relevant. Dafür stehen der Agrarsektor und der Konsumentenmarkt umso mehr im Fokus. Deshalb kann jedes Unternehmen bis zu 25 Indikatoren nach eigenen Bedürfnissen ein- oder ausschalten und erhält damit ein ganz individualisiertes Ranking.
Mit präzisen Daten gegen Vorurteile
Herr Koetsier, aus welcher Motivation heraus ist der Index entstanden?
Wir haben als BRS Institut an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg bereits 2018 mit der Entwicklung des Index begonnen. Es wurde uns immer von den gleichen Problemen berichtet, die bei der Beratung auftreten: Deutsche Unternehmen haben häufig kaum Kenntnis von der Realität in Afrika, wenn nicht sogar negative Vorurteile. Und genau da setzen wir an. Wir wollen Interesse für afrikanische Märkte wecken und datenbasiert zeigen, welche Potenziale in den einzelnen Märkten bestehen.
Herr Geyer, welche Bedeutung hat der Mittelstandsindex für die Agentur für Wirtschaft und Entwicklung?
Seit 2019 unterstützen wir das Projekt und bringen unsere Perspektive mit ein: Wir beraten Unternehmen zu einem nachhaltigen Engagement in Entwicklungs- und Schwellenländern. Da spielt der afrikanische Kontinent eine bedeutende Rolle. Uns ist es wichtig, den Unternehmen mit dem Index eine gute, objektive Informationsquelle an die Hand geben zu können und eine Brücke zu den Kooperationsmöglichkeiten der Entwicklungszusammenarbeit zu schlagen.
An der Schnittstelle zur Außenwirtschaft
Herr Koetsier, wie grenzt sich Ihr Index zu anderen Indizes ab?
Durch Individualisierung und Spezialisierung. Unsere Zielgruppe ist der deutsche Mittelstand. Wir bilden den Markteintrittsprozess für ein solches Unternehmen ab, darauf haben wir den Index speziell eingestellt. Die Auswahl und Zusammenstellung der Indikatoren erfolgte in enger Kooperation mit unseren Entwicklungspartnern africon GmbH und dem Bundesverband mittelständische Wirtschaft e.V. (BVMW). Außerdem sind zahlreiche Experteninterviews eingeflossen, um herauszufinden, was ein Mittelständler braucht.
Herr Geyer, worin sehen Sie die Besonderheit des Mittelstandsindex?
Der Index gibt einen Überblick auf verschiedenen Detailebenen, um das Bewusstsein für Chancen, Risiken und mögliche Ansatzpunkte für einen Markteintritt zu schaffen. Ergänzt wird dies durch eine Individualisierungsfunktion und eine Übersicht der Unterstützungsangebote der Außenwirtschaft.
Herr Koetsier, der Index umfasst nur 33 der 54 afrikanischen Länder. Was ist mit dem Rest?
Ja, es sind nicht alle afrikanischen Länder in den Index aufgenommen. In einigen Ländern ist die Datenlage schlecht und die wirtschaftliche Relevanz ist vergleichsweise gering, sodass Aufwand und Nutzen in keinem Verhältnis stehen. Für Somalia beispielsweise ist es sehr schwierig, Inputfaktoren zu erheben. Auch renommierte Quellen der Weltbank oder der Ibrahim Index of African Governance stoßen da an ihre Grenzen. Länder wie Sudan oder Libyen haben wir momentan aus dem Index rausgehalten, da sie aufgrund der aktuellen politischen Situation für die Mehrheit der deutschen Unternehmen nicht im Vordergrund stehen dürften. Mit den 33 Ländern, die wir haben, decken wir immerhin rund 96 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung des Kontinents ab.
Südafrika bleibt oben, Simbabwe steigt auf
Welche Länder schneiden bei Ihnen besonders gut ab und warum?
Die Top 5-Länder sind Südafrika, Ägypten, Marokko, Kenia und Algerien. Das ist keine wirkliche Überraschung: Es handelt sich um größere Volkswirtschaften mit fortgeschrittener industrieller Produktion. Dadurch sind Potenziale für deutsche KMU vorhanden und auch Strukturen, die den Markteintritt erleichtern. Deutsche Auslandshandelskammern, Außenwirtschaftsnetzwerke sowie Fach- und Vertriebspartner vor Ort machen die Märkte attraktiv. Bei Ägypten, Marokko und Algerien kommt die Nähe zu Europa als wichtiger Pluspunkt noch hinzu.
Und wie gestaltet sich das bei den Ländern jenseits der Spitze?
Auch in diesen Ländern sind profitable Geschäfte möglich. Unternehmen sollten allerdings mehr Erfahrung mitbringen, zuverlässige Partner vor Ort haben und sich länger mit dem Land beschäftigen. So können sie auch dort ihre Nische finden. Viele Länder in Afrika besitzen erhebliches Entwicklungspotenzial. Simbabwe ist ein Beispiel dafür und hat im Vergleich zum Vorjahr bemerkenswerte Fortschritte gemacht.
Herr Geyer, das Ranking bietet also differenzierte Ansichten.
Ja, Mauritius zum Beispiel liegt insgesamt auf Rang 7 und besitzt als kleiner Inselstaat eine überschaubare Marktgröße. Dafür belegt das Land beim nachhaltigen wirtschaftlichen Handeln den Spitzenplatz. Es lohnt sich also, in unserem Index in die Tiefe zu gehen und sich die Indikatoren im Detail anzuschauen.
Index erleichtert Unternehmen den Markteintritt
Gibt es schon Erfahrungen von Nutzern?
Das Interesse am Index ist groß. Gerade erst habe ich mit einem Unternehmen gesprochen, das früher im südlichen Afrika aktiv gewesen ist und nun den Index zum Anlass nimmt, über ein Engagement im nördlichen Afrika nachzudenken. Wir sind gespannt auf die Nutzerzahlen und auf weitere Rückmeldungen.
Und bei Ihnen, Herr Koetsier, welches Feedback bekommen Sie?
Von unserem Entwicklungspartner africon wissen wir, dass er den Index bereits seit 2019 in mehr als 150 Beratungsgesprächen genutzt hat. Wir bekommen sehr positive Rückmeldungen. Oft hören wir heute von Unternehmen: Wenn es den Index schon gegeben hätte, als wir unseren Markteintritt geplant haben, dann hätten wir viel Zeit und Geld sparen können. Das ermutigt uns, das Tool weiter bekannt zu machen und noch mehr Interesse zu wecken. Uns beschäftigt auch die Idee, andere Länder hinzuzunehmen. Und perspektivisch wird natürlich die Aktualisierung der Daten eine Rolle spielen.
Das Interview führte Dr. Felix Guntermann von Germany Trade & Invest im Mai 2024.
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