Kamativi Lithium Projekt von Bravura

Lieferengpässe, etwa bei Gallium oder schweren Seltenen Erden, lassen schmerzhaft erkennen, dass der Industriestandort Deutschland ohne gesicherte Lieferketten in seiner Existenz gefährdet ist. Wir sprachen mit Gründer und CEO der DGWA, Stefan Müller, über die Rolle Afrikas beim Aufbau strategischer Rohstoffpartnerschaften für deutsche Unternehmen.  

Herr Müller, wie wichtig ist Afrika als Standort und Partner für die Sicherung kritischer Rohstoffe?

Afrika verfügt über bedeutende Vorkommen nahezu aller kritischen Rohstoffe und gilt unter Experten als eine der rohstoffreichsten Regionen der Welt. Besonders im Bereich strategischer Mineralien wie Kobalt, Lithium, Graphit oder Seltene Erden hat der Kontinent enormes, bislang oft unerschlossenes Potenzial. Etwa 30 Prozent der globalen mineralischen Rohstoffreserven befinden sich in Afrika.

Rahmenbedingungen und Risiken individuell betrachten

Auf dem Kontinent ist Energie knapp und es fehlt die Infrastruktur - sicher ein entscheidendes Problem für Unternehmen.

In dieser Hinsicht hat Afrika keinen generellen Standortnachteil gegenüber anderen Weltregionen. Man darf zumindest nicht pauschalisieren, denn auch in abgelegenen Regionen z.B. Brasiliens oder Kanadas sind die logistischen Herausforderungen und die Anbindung an die Strom- und Wasserversorgung oft komplex. Darüber hinaus hat Kanada beispielswiese extrem lange Genehmigungsphasen und Australien die wohl höchsten Personalkosten in der Branche. In Afrika haben wir es mit über 50 Ländern zu tun, daher erfordert auch hier jedes einzelne Projekt eine individuelle Betrachtung und Bewertung.

Stefan Müller Stefan Müller Stefan Müller

Afrika ist von informellen Geschäftsbeziehungen geprägt, autoritäre Strukturen sind verbreitet. Wie gehen Projektentwickler damit um?

Die Rahmenbedingungen sind in Afrika anders als in der westlichen Welt. Aber das gilt auch für andere Regionen, etwa in Südamerika. Es gibt leider immer noch Länder in Afrika, aber nicht nur dort, in denen die Etablierung seriöser Rohstoffprojekte oder allgemein die Industrialisierung und damit der Grundstein für wachsenden Wohlstand der Menschen wohl noch lange auf sich warten lassen. Aber in den meisten afrikanischen Ländern sind die Rahmenbedingungen stabil.

Bei der Umsetzung der Projekte ist ein verständnisvoller Pragmatismus oft hilfreicher als eine unrealistische Hypermoral und das noch immer bei vielen Europäern spürbare Überlegenheitsgefühl. Solche Haltungen stoßen vielerorts zu Recht auf Enttäuschung und Ablehnung.

Pole-Position in der Lieferkette sichern

China dominiert nicht nur beim Abbau, sondern insbesondere bei der Verarbeitung.  

Wer in der Frühphase - bei der Exploration und Erschließung - finanziell einsteigt, der sichert sich bei der Entwicklung der Mine und schließlich bei der Sicherung einer Lieferkette eine Pole-Position. Das Glas ist aber immer noch halb leer, wenn wir uns etwa durch Abnahmevereinbarungen den Zugriff auf die Rohstoffe sichern, diese aber immer noch nach China verschiffen müssen, um sie weiterzuverarbeiten.  

China verfügt bei der Verarbeitung kritischer Rohstoffe über einen überwältigenden Know-How-Vorsprung. Hier müssen wir schnellstmöglich ansetzen und eigene Kapazitäten aufbauen. Dabei bin ich grundsätzlich Optimist: Wenn die Chinesen kritische Rohstoffe verarbeiten können, dann können wir das auch!

Ist die Verarbeitung von Rohstoffen in Afrika machbar?  

Ja, sie ist machbar und gewünscht und wird beispielsweise durch entsprechende Gesetze in immer mehr Ländern verpflichtend. Auch der Westen unterstützt diese Entwicklung, denn es ist nicht nur nachhaltiger, bereits teilweise verarbeitetes Material - und somit mengenmäßig deutlich weniger - zu verschiffen, sondern es werden auch Arbeitsplätze vor Ort geschaffen.  

In den Unternehmen trifft man - anders als noch vor 20 Jahren - auf allen Ebenen auf hochqualifizierte lokale Mitarbeiter. Viele der Verantwortlichen verfügen dabei über internationale Ausbildung und Erfahrung. Auch hier eine sehr vielversprechende Entwicklung. Allerdings kann es wegen einer geringen Industrieverflechtung Grenzen geben; wenn beispielsweise Industrien als Abnehmer für die Reststoffe oder Nebenprodukte aus der Verarbeitung oder weitere Inputs für den chemischen Prozess fehlen.

Person und Unternehmen: Stefan Müller ist Gründer und CEO der Deutsche Gesellschaft für Wertpapieranalyse (DGWA), eines führenden Investmenthauses für Bergbau und Rohstoffe mit Sitz in Frankfurt. Die DGWA hat sich auf die Beratung und Finanzierung von Projekten zur Sicherung der Lieferketten für europäische Unternehmen spezialisiert. Sie berät sowohl Bergbauunternehmen als auch Abnehmer, also z.B. die Automobilindustrie. Darüber hinaus mobilisiert die DGWA Investoren mit dem Ziel, geeignete Projekte schnellstmöglich zu Produzenten zu entwickeln. Dabei erstrecken sich die Aktivitäten der DGWA von der Exploration über die Projektentwicklung bis zum Bau der Minen. Das DGWA-Portfolio umfasst Unternehmen aus allen fünf Kontinenten, und auch mehrere der von der EU im Rahmen des Gesetzes zu kritischen Rohstoffen (CRMA) ernannten strategischen Projekte. Stefan Müller ist Vorstandsmitglied der Fachvereinigung Auslandsbergbau und internationale Rohstoffaktivitäten (FAB) und Mitglied mehrerer Fachausschüsse. 

 

China investiert massiv in afrikanische Bergbauprojekte; aber auch die USA, die klassischen Bergbauländer Kanada und Australien und zunehmend europäische Länder. Deutschland ist besonders zurückhaltend, wie kommt‘s?  

Im Zuge der Globalisierung haben wir große Teile unseres Bergbau-Knowhows begraben. Ohne relevante Bergbauindustrie sind die Banken nicht tätig und die Politik nicht sensibilisiert. Über Jahrzehnte hat die Industrie ihre Rohstoffversorgung hauptsächlich über Börsen und Händler sichergestellt, getreu dem Motto „ich weiß nicht wo es herkommt – und ich will es auch nicht wissen“. ESG-Standards, Lieferkettengesetze und besonders die Angst vor gefährlichen Abhängigkeiten zwingt nun zum Umdenken. Leider findet dieser Prozess gerade hier in Deutschland viel zu spät statt, denn die Anzahl interessanter Projekte und damit die Menge an verfügbaren Rohstoffen ist zumindest kurz- bis mittelfristig begrenzt und die Entwicklungszeiten neuer Projekte lang. Wir müssen daher schnellstmöglich handeln und uns klar machen, dass auch in Ländern mit anderen, zumeist geringeren Standards Rohstoffprojekte nicht nur möglich, sondern bis zu gewissen Grenzen auch nötig für unsere Rohstoffversorgung sind.

Wir beobachten aber, dass dieser Prozess des Umdenkens Fahrt aufnimmt. Immer mehr Unternehmen und Investoren aller Art wagen sich Schritt für Schritt entlang der Lieferketten näher an die Rohstoffproduktion heran und engagieren sich in verschiedenen Formen, um die Liefersicherheit schneller in Produktion zu bringen.  

Wer von Seiten der deutschen Wirtschaft sollte besonders aktiv beim Aufbau einer Lieferkette sein?  

Lieferketten bestehen - wie der Name sagt - aus mehreren Gliedern. Die Abnehmerindustrien wie auch Investoren, egal ob staatlich oder privat - können sich daher auf allen Levels engagieren und für mehr Sicherheit oder beschleunigte Umsetzung sorgen. Dies ist nicht nur nötig, sondern oft auch wirtschaftlich attraktiv. So haben wir ein Investmentvehikel zur Finanzierung der Explorationsphase bis hin zum Nachweis der wirtschaftlichen Machbarkeit entwickelt, das zum Beispiel mit Entwicklungsbanken umgesetzt werden könnte, um so vielversprechende Projekte schneller umzusetzen. Wenn diese und andere Investments allerdings ausbleiben, müssen sich die Endabnehmer überlegen, wie sie sich engagieren, um die Liefersicherheit zu garantieren.

Bei den großen Automobilherstellern und auch in der Rüstungs- und Elektroindustrie gibt es unterschiedliche Sichtweisen, ob man sich jetzt an Minenunternehmen beteiligen soll. VW beispielsweise hat sich kürzlich an einem kanadischen Lithiumunternehmen beteiligt; auch Tesla und Stellantis sind an Bergbauunternehmen beteiligt. Andere sind unschlüssig oder wollen sich zumindest aktuell noch nicht weiter oben in der Lieferkette engagieren.  

Langfristige Partnerschaften aufbauen

Die Bundesregierung und die EU sichern kritische Rohstoffe durch Diversifizierung, Recycling und strategische Projekte. Im Rahmen des Critical Raw Materials Act der EU hat die Bundesregierung einen Rohstofffonds aufgelegt, den die KfW verwaltet. Was kann die Politik noch tun?  

Die deutsche Regierung muss viel aktiver in die Rohstoffsicherung eingreifen. Wir müssen die bestehenden Wirtschaftsbeziehungen im Bereich der Rohstoffpartnerschaften etwa mit Australien und Kanada intensivieren und weitere, zum Beispiel in Südamerika und eben Afrika, aufbauen. Dabei ist es wichtig, diese so langfristig und sicher wie möglich auszugestalten.  

Die deutsche Politik muss sich zudem mehr mit den Realitäten auseinandersetzen. Rohstoffe sind begrenzt, die Geologie besteht buchstäblich aus harten Fakten, und die Rahmenbedingungen sind nicht beliebig gestaltbar. Geschwindigkeit ist zentral im Bergbau. Und die Chinesen sind bekanntlich bei ihren Entscheidungen und bei der Finanzierung extrem schnell. Wir müssen viel mehr investieren, um die Rohstoffproduktion so schnell wie möglich hochfahren zu können. Der Rohstofffonds der KfW reicht da bei weitem nicht aus.  

Wie in der Industrie stellen wir aber auch in der Politik ein Umdenken fest. Ob aus eigenem Antrieb oder durch den aggressiven Kurs Chinas und der immer mehr von Rohstoffaspekten getriebenen Außen- und Wirtschaftspolitik der USA, spielt dabei keine Rolle. Wichtig ist, dass es sich in Richtung einer aktiveren Außenwirtschaftspolitik bewegt, flankiert von entsprechenden Finanzierungsinstrumenten.  

Kann man vom Staat verlangen, dass er in den risikobehafteten Bergbau einsteigt?

Natürlich, der Staat muss einsteigen, weil es sich um ein existenzielles Problem für den Wirtschaftsstandort Deutschland handelt. Angesichts der realen Risiken für die Wirtschaft brauchen wir schnell eine Bündelung privater und staatlicher Aktivitäten und Investitionen. Die absoluten Summen bleiben dabei überschaubar, denn es geht hauptsächlich um Engagements von maximal zweistelligen Millionenbeträgen je Projekt in der frühen Entwicklungsphase bis hin zum Nachweis der wirtschaftlichen Machbarkeit. Ist diese erbracht, stehen klassische Investoren und zum Beispiel auch die KfW bereit, um die Mine und die Produktion zu finanzieren und somit Rohstoffversorgung und Arbeitsplätze zu sichern. Angesichts der dreistelligen Milliardenbeträge, die aktuell zur „Wiederbelebung“ der deutschen Industrie im Raum stehen, also sehr überschaubare „win-win“ Investments.  

Nochmals: Ohne kritische Rohstoffe werden wir uns im Rennen um Zukunftsindustrien sehr schwertun und laufen Gefahr, unseren Ruf als hochentwickeltes Industrieland grundsätzlich in Frage stellen zu müssen.

Europas Herangehensweise beim Aufbau von Lieferketten ist weniger aggressiv als die Chinas und oder auch der USA. Ist das ein Nachteil? 

Wir sind auf jeden Fall nicht so übergriffig und aggressiv wie andere, aber eben auch nicht so schnell und flexibel. Zumindest haben Deutschland und seine Unternehmen meist einen guten Ruf in Afrika und auch sonst in der Welt, wir begegnen unseren Partnern eher auf Augenhöhe und sind zuverlässig. Das wird positiv gewertet, aber es wäre etwas zu weit hergeholt, dies direkt als Wettbewerbsvorteil zu verbuchen. Denn ohne eigenes Engagement - sprich Investments - fehlen uns gegenüber den Mitbewerbern die entscheidenden Argumente.

Das Interview führte Fausi Najjar von Germany Trade & Invest im Juli 2025.