Hafen von Tanger Med

The port of Tangier Med located on the Strait of Gibraltar in northern Morocco is the largest port in Africa, Hafen von Tanger Med

Tanger hat sich in den letzten Jahren von einer regionalen Hafenstadt zu einem dynamischen Wirtschaftsstandort im westlichen Mittelmeerraum entwickelt. Wer heute über deutsche Unternehmensniederlassungen in Marokko nachdenkt, sollte Tanger auf der Shortlist haben. GTAI-Korrespondent Ullrich Umann berichtet im Gespräch über die großen Potenziale der Hafenstadt.

 

Herr Umann, warum ist Tanger so vielversprechend?

Wirtschaftskorrespondent für Marokko Ullrich Umann GTAI/Illing & Vossbeck Fotografie Wirtschaftskorrespondent für Marokko Ullrich Umann

Die Stadt verbindet geostrategische Lage mit Infrastrukturaufbau, klaren industriellen Schwerpunkten, aktiver Flächenausweisung und einer Politik, die Industrieansiedlungen, Logistik und Tourismus holistisch fördert. Die Infrastruktur rund um Tanger ist der erste, sichtbare Vorteil. Der Hafen-Komplex Tanger Med stellt dabei das Rückgrat dar: Mit einem Investitionsprogramm von nahezu 700 Millionen Euro für 2026 bis 2028 in Passagier- und Lkw-Terminals, neue Trockendocks und in die Digitalisierung der Abläufe stärkt Tanger Med seine Rolle als regionaler Logistik-Hub.

Welche Strategie verfolgt die marokkanische Regierung in Bezug auf den Hafen Tanger Med?

Die staatliche Hafenentwicklungsbehörde TMSA (Agence Spéciale Tanger Méditerranée) fährt eine klare Dekarbonisierungsstrategie (Onshore Power Supply, Photovoltaik- und Windprojekte, Just-in-Time-Optimierung). Für deutsche Industrieunternehmen, die auf effiziente, grüne Logistikketten und kurze Seeverbindungen nach Europa setzen, ist das ein starkes Argument für eine Präsenz vor Ort.

Parallel dazu entsteht mit Mohammed VI Tanger Tech City, ein groß angelegtes Entwicklungsprojekt, das als intelligente Industrie- und Wohnstadt geplant ist. Interessant für Investoren ist in diesem Zusammenhang, dass Tanger Tech gezielt auf energieintensive, technologiegetriebene Industrien abzielt, darunter die Batterieproduktion, Metallurgie, Elektronik sowie Automobilzulieferer.

Wie sieht es mit der Energieinfrastruktur aus?

Die Ansiedlung energieintensiver Industrien hat den Bedarf an zusätzlicher Kapazität deutlich erhöht. Die Projektgesellschaft für die Tanger Tech City, SATT (Société d’Aménagement Tanger Tech), und der staatliche Energiekonzern ONEE errechneten einen Zusatzbedarf unter anderem für zwei Umspannwerke (400/225/20 kV und 225/35 kV).

Logistiker könnten also auch davon profitieren.

Ja, private Akteure wie Kazyon Maroc haben jüngst eine 14.000 Quadratmeter große Logistikplattform in Tanger eröffnet. Solche Projekte stärken die regionale Distributionsbasis und reduzieren Lieferzeiten für Konsumgüter – ein Plus für deutsche Handelsunternehmen, die Nordafrika als Absatz- oder Produktionsstandort nutzen wollen.

Wie entwickelt sich der Tourismussektor?

Internationale Hotelketten setzen auf Tanger als Destination. Das Hilton Tangier Al Houara Resort & Spa erweitert sein Freizeitangebot (Patinoire, Padel, Golf) und positioniert sich als LifestyleAnker für die Region; parallel hat der saudische Investor Naif AlRajhi ein Memorandum für die «Cité de la Méditerranée» unterzeichnet (Investitionsvolumen ca. 25 Millionen Euro), ein hochwertiges Tourismus- und Freizeitprojekt, das die Aufwertung der Küstenzone vorantreibt. Solche Projekte erhöhen die Lebensqualität, erleichtern die Rekrutierung internationaler Fachkräfte und schaffen Nachfrage nach BusinessServices.

...und generell der Bausektor?

Auf städtebaulicher Ebene reagiert Tanger auf die sich abzeichnende Wachstumsdynamik: Die Agentur für Kommunalentwicklung, Agence Urbaine de Tanger, arbeitet an Bebauungsplänen für Chejirat (236 Hektar) und Lakhreb (211 Hektar); diese Flächen liegen an der Ostflanke der Stadt, nahe der Mittelmeerautobahn, dem Stadtzentrum und dem Bahnhof Tanger-Medina.

 

Chancen für deutsche Unternehmen in Tanger

  • Errichtung eigener Produktions- und Exportstandorte
  • Errichtung eigener Logistik- und Distributionszentren
  • Kooperationen im Bereich erneuerbare Energien und Energieeffizienz (Projekte zur Dekarbonisierung von Tanger Med und lokalen Industrieparks)
  • Beteiligungen an Tourismus- und Immobilienprojekten
  • Technologie- und Dienstleistungsangebote für die Digitalisierung von Supply Chains und Industrie 4.0-Lösungen.

An wen sollten sich Unternehmen wenden, wenn es mit der Ansiedlung konkret wird?

Beratungs- und Dienstleister wie die deutsch-marokkanische TRIAL-Group begleiten komplette Ansiedlungsprozesse — von der Standortwahl über Genehmigungen bis hin zum Personalmanagement, Einkauf und Buchhaltung — und reduzieren damit Markteintrittsrisiken. Institutionelle Partner wie die Deutsch-Marokkanische Industrie- und Handelskammer (AHK Marokko), die staatliche Behörde für Auslandsinvestitionen AMDIE und die Tanger Med Port Authority bieten ergänzende Services, Netzwerke und Zugang zu Ausschreibungen.

Das klingt alles sehr positiv. Gibt es denn auch Herausforderungen?

Sprachliche und kulturelle Barrieren, administrative Komplexität in einzelnen Genehmigungsverfahren und Unterschiede im Arbeits- und Steuerrecht erfordern eine lokale Expertise und sorgfältige Projektvorbereitung.

Der Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte verschärft sich mit dem Zuzug internationaler Investoren; deshalb sind Investitionen in Ausbildung, lokale Rekrutierung und Kooperationen mit Ausbildungszentren empfehlenswert. Zudem sollten Unternehmen die Energiebedarfe neuer Produktionslinien frühzeitig mit den lokalen Netzbetreibern abstimmen, da Projekte wie Tanger Tech erhebliche zusätzliche Kapazitäten erfordern.

Das Interview führte Samira Akrach von Germany Trade & Invest im November 2025.

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