Zertifikatsverleihung nach Abschluss der Schulung zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz an der AHK Ghana

Seit Januar 2023 ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in Kraft. Es verpflichtet Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten mit Sitz in Deutschland zur Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards in ihren Lieferketten. Das Gesetz stellt viele dieser Firmen vor Herausforderungen: So müssen sie nicht nur ihre direkten Zulieferer auf Einhaltung der menschenrechtlichen und umweltrechtlichen Standards untersuchen, sondern auch ihre weitergehende Lieferkette genau unter die Lupe nehmen.

Die Delegation der Deutschen Wirtschaft in Ghana unterstützt lokale Zulieferer und internationale Unternehmen dabei, die Auswirkungen des Gesetzes zu verstehen und umzusetzen. Dazu bietet sie in Kooperation mit dem Business Scouts for Development Programm seit 2022 Schulungen an. In einem ersten Pilotprojekt, das sich vor allem mit der Sicherung der Sheabutter-Lieferkette beschäftigte, wurden 200 Shea-Farmerinnen und 40 kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) geschult. Danach wurde das Training für Unternehmen aus allen Branchen geöffnet. 

Unterschiedliche Werte und Normen in der Arbeitswelt

Frau Simon, inwiefern betrifft das LkSG deutsche Unternehmen, die sich wirtschaftlich in Afrika und speziell in Ghana engagieren?  

Stefanie Simon, Leitung Kompetenzzentrum Private Sector Development and Projects AHK Ghana Stefanie Simon, Leitung Kompetenzzentrum Private Sector Development and Projects

Wichtig ist es erst einmal zu verstehen, dass das LkSG nicht unbedingt deutsche Unternehmen mit Sitz im Ausland betrifft, sondern zunächst nur für Unternehmen mit Sitz in Deutschland gilt. Im Ausland unterstützen wir also in der Regel nicht direkt deutsche Unternehmen, sondern deren Zulieferer. In Ghana sind besonders rohstoffnahe Lieferketten betroffen, etwa in der Landwirtschaft.

 

Welche Herausforderungen birgt das LkSG denn für die ghanaische Landwirtschaft?

In diesem Bereich treffen traditionelle Werte und kulturelle Normen häufig auf westliche Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit. So ist es in Ghana beispielsweise durchaus üblich, dass Kinder von Kleinbauernfamilien bei der Feldarbeit helfen. Und das hat nicht nur etwas mit fehlenden Ressourcen zu tun. In Ghana wird es als wichtig angesehen, der nächsten Generation technische Fähigkeiten, etwa in der Agrarwirtschaft, zu vermitteln. Außerdem fehlt es gerade in ländlichen Gebieten an Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Für uns ist es wichtig, in solchen Fällen lokale Lösungen als positive Beispiele und präventive Maßnahmen anzuregen. Eine Kooperative in Ghana hat beispielsweise das Problem der Kinderbetreuung damit gelöst, dass sie selbst eine Kita gegründet hat, die von Dorfältesten geleitet wird. 

Welche Ziele verfolgen Sie mit Ihrem Schulungsangebot?

Das Trainingsangebot richtet sich vor allem an Zulieferer und potenzielle Zulieferer für den deutschen Markt. Die meisten teilnehmenden Unternehmen liefern Rohstoffe an Unternehmen mit Sitz in Deutschland oder in anderen europäischen Ländern. Unser Ziel ist es einerseits, diese Unternehmen dabei zu unterstützen, ihre Lieferketten zu sichern, andererseits wollen wir potenzielle lokale Zulieferer dabei fördern, marktfähig zu bleiben. Tatsächlich nehmen an unseren Trainingsangeboten aber auch lokale Unternehmen teil, die gar nicht direkt vom LkSG betroffen sind, sondern einfach die Informationen für sich nutzen wollen, weil sie beispielsweise faire Arbeitsbedingungen in ihren Betrieben fördern wollen.

LkSG als Leitfaden für Ermittlung und Vermeidung von Menschenrechtsrisiken

Was fragen die Unternehmen bei den Trainings besonders nach?

Die Bedarfe der Unternehmen können hier sehr unterschiedlich sein, allerdings benötigen die meisten erst einmal ein Grundwissen zum Verständnis von Lieferketten und damit verbundenen unternehmerischen Sorgfaltspflichten. Sie müssen erkennen können, wo sie sich innerhalb der Lieferkette befinden, um dann bei Risiken für Menschenrechtsverletzungen präventiv handeln und lokale Lösungen formulieren zu können. 

Welche Trainingsinhalte vermitteln Sie konkret?

Das Training umfasst theoretische Komponenten zu den Themen Menschenrechte und Wirtschaft, nachhaltige Lieferketten, bestehende Sorgfaltspflichtgesetze sowie Risikomanagementstrategie und -analyse. Man kann das LkSG tatsächlich wie eine Art Checkliste lesen. Diese gehen wir in dem Training systematisch durch und setzen sie in den ghanaischen Kontext. Einzigartig ist unser praktischer Ansatz: In Arbeitsgruppen definieren die Unternehmen Risiken innerhalb ihrer Branche, analysieren die Lieferkette und bewerten bestehende Risiken, bevor sie konkrete Maßnahmen festlegen. Wir verstehen uns dabei als Mentoren der Unternehmen. Wir weisen die Unternehmen auf Lücken oder Fehler in der Analyse hin und helfen, Risiken zu bewerten und einzuschätzen. Ein wichtiger Bestandteil des Trainings ist auch die gemeinsame Entwicklung von Lösungsansätzen.

Sensibilisierung für unternehmerische Sorgfaltspflichten wächst 

Werden die Trainings von Unternehmen denn auch nachgefragt?

Ein wichtiger erster Schritt, den wir gemacht haben, um Unternehmen überhaupt für Sorgfaltspflichten zu interessieren, ist eine gezielte Kommunikation zu dem Thema. Dafür haben wir vor allem Veranstaltungen und Social Media wie LinkedIn genutzt. Mit höherem Bewusstsein für unternehmerische Sorgfaltspflichten kamen die Anmeldungen eigentlich von allein. Viele Unternehmen, mit denen wir arbeiten, kommen aus dem Rohstoffsektor – wir arbeiten etwa mit Agrarunternehmen, Herstellern von Kosmetikprodukten oder Textilproduzenten. Allerdings gehören auch globale Unternehmen wie DHL Forwarding zu den Trainingsteilnehmern. 

Die Schulung kam genau zum richtigen Zeitpunkt. Ich habe innerhalb unseres Unternehmens das Bewusstsein für die Notwendigkeit von unternehmerischen Sorgfaltspflichten erhöht und freue mich darüber, dass dieses Thema auch auf regionaler Ebene, etwa in Westafrika, umgesetzt wird. Mit den detaillierten Kenntnissen aus der Schulung haben wir eine Möglichkeit gesehen, uns bei der Sensibilisierung und Einhaltung der Vorschriften als Vorreiter zu positionieren und hoffen natürlich, dadurch auch andere Unternehmen zu inspirieren.

Serigne Mbaye CEO Westafrica & Country Head, DHL Global Forwarding


Werden auch in anderen Ländern derartige Schulungen angeboten?  

Ja, wir haben bereits etablierte Angebote zu Schulungen im Bereich Lieferkettensorgfaltspflichten an den AHKs in Indien und im Südlichen Afrika. Besonders hervorheben möchten wir die Angebote des Helpdesks Wirtschaft & Menschenrechte der Agentur für Wirtschaft & Entwicklung. Hier finden deutsche Unternehmen ein umfassendes Angebot für Beratungen zum LkSG. Viele IHKs bieten außerdem Kurse zum Nachhaltigen Lieferkettenmanagement an.

Das Interview führte Miriam Behrendt, Business Scout for Development, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH im Oktober 2023.

Weitere Informationen

Erfahrungsberichte von Unternehmen in Ghana

Vision auf Schienen: Neue Bahnlinien für Afrika

Eine neue Bahnverbindung für Afrikas Hauptstädte und Wirtschaftszentren? Der Vorsitzende der Trans Africa Railway Corporation erläutert sein Vorhaben und die Suche nach Kapital.

Wasser zweimal nutzen: Mit neuen Technologien Ressourcen schonen

Wasser ist ein rares Gut in Ägypten. Anlagen zur Wassertechnik sind deshalb sehr gefragt. Eine Unternehmerin und ein Branchenexperte erklären, wie der Markteinstieg gelingt.

Mit Zukunft: Partnerschaft der Automobilverbände kommt ins Rollen

Der Verband der deutschen Automobilindustrie kooperiert mit seinem panafrikanischen Counterpart. Victoria Backhaus-Jerling berichtet aus dem gemeinsamen Projektbüro in Südafrika.

Vernachlässigt: Märkte für deutsche Medizintechnik in Afrika

In Afrika wächst der Bedarf an bezahlbarer Medizintechnik. SternMed aus Ravensburg bietet Lösungen für oft übersehene einkommensschwache Märkte.

Einkauf: Qualität bei Mangos und Nüssen aus Westafrika

Der Snack-Spezialist Seeberger hat mit einem indischen Partner eine Cashew-Verarbeitung in Côte d'Ivoire aufgebaut. Die hochwertigen Nüsse liefern lokale Genossenschaften zu.

StArfrica: Start-up-Märkte in Deutschland und Afrika vernetzen

Adedeji Olusanya von StArfrica spricht über die Start-up Ökosysteme in Ghana und Tansania und die Rolle der Diaspora im afrikanischen Unternehmertum.

Bauwirtschaft: Mehr Wohnungen und bessere Infrastruktur für Ghana

Ghanas Städte wachsen rasant. Kwadwo Botuo Gyimah, Branchenexperte für Bauwirtschaft, lotet vor Ort Geschäftschancen für die deutsche Bauwirtschaft aus.

Afrikanische Diaspora: Türöffner für den ghanaischen Markt?

Daniel Kwaku Merki vom Diaspora Investment Desk Ghana teilt seine Gedanken zur afrikanischen Diaspora und wie sie zu deutsch-afrikanischen Handelsbeziehungen beitragen kann.

Recruiting: nexum AG setzt auf IT-Talente aus Ghana und Ruanda

Bei Projekten der Digitalagentur nexum AG sind vermehrt Fachkräfte aus Ghana und Ruanda im Einsatz. Bei der Umsetzung geht nexum neue Wege, die über Outsourcing hinausgehen.

Schutzschirm: MAN sichert Afrika-Geschäfte mit Exportkreditgarantien des Bundes

Das Münchener Unternehmen MAN Truck & Bus verkauft seit mehr als 30 Jahren Lkw auf dem afrikanischen Markt, vor allem schwere Lkw-Reihen und Lkw-Bausätze.

Sprungbrett Ägypten: Deutsche Bahn expandiert nach Afrika

Die Deutsche Bahn hat 2022 einen Milliardenauftrag für das erste Hochgeschwindigkeitsnetz in Ägypten erhalten. Davon soll auch das Unternehmen in Deutschland profitieren.