Adedeji Olusanya, Projektleiter Ghana und Tansania bei StAfrica im Gespräch mit Studierenden des African Institute for Mathematical Sciences in Ghana

StArfrica - Startup Germany Africa ist ein Projekt der Universität Koblenz. Es hat das Ziel, deutschen Start-ups sowie KMU den Zugang zu ausgewählten afrikanischen Märkten zu erleichtern und gleichzeitig den deutschen Markt für afrikanische Start-ups attraktiver zu gestalten. Das Projekt unterstützt junge Unternehmen, die innovative technische Lösungen anbieten, wie beispielsweise Apps im MedTech- oder FinTech-Bereich. Im Jahr 2020 startete die Initiative als Pilotprojekt in Ruanda in Zusammenarbeit mit der University of Ruanda. Das Vorhaben wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) unterstützt.

Im Mai 2023 hat StArfrica seine Aktivitäten auf Ghana und Tansania ausgeweitet. Im Interview gewährt Adedeji Olusanya, Projektleiter für Ghana und Tansania, Einblicke in die Start-Up-Ökosysteme beider Länder und erläutert die Rolle der afrikanischen Diaspora bei der Förderung von Unternehmertum auf dem afrikanischen Kontinent.

E-Mails aus Ruanda landen oft im deutschen Spam-Ordner

Herr Olusanya, wie fällt die Bilanz von StArfrica nach drei Jahren in Ruanda aus?

Adedeji Olusanya, Projektleiter für Ghana und Tansania bei StArfrica StArfrica - Startup Germany Africa Dies ist ein eingebettetes Bild

Derzeit betreut mein Kollege Niklas Richter Ruanda und seine Bilanz ist sehr positiv. Wir konnten viele deutsche Start-ups und Unternehmen für Afrika begeistern. Vor allem die Unterstützung und Begleitung von Start-ups auf ihrem Weg nach Ruanda ist gut angekommen. Dass wir direkt vor Ort sind, wissen die Gründer sehr zu schätzen.

Gab es besondere Herausforderungen?

Natürlich. Es ist schwierig für ruandische Start-ups den deutschen Markt zu erschließen und passende Partner zu finden. Oft können die Gründer aus der Ferne nicht gut genug einschätzen, wie der deutsche Markt funktioniert. Und E-Mails von ruandischen Start-ups landen in Deutschland oft im Spam oder werden ignoriert. Da sind wir dankbar, dass wir von der Uni Koblenz aus vermitteln können und einen Vertrauensvorschuss haben.

StArfrica hat seine Aktivitäten mittlerweile auf Ghana und Tansania ausgeweitet. Warum nicht auf Hotspots wie Nigeria oder Kenia?

Kontakte und Recherchen von StArfrica-Leiter Professor von Korflesch haben das ergeben. Wir hören immer wieder, dass Ghana sich innerhalb der afrikanischen Start-up-Szene einen Platz unter den Top fünf erarbeitet hat. Vor allem in der Hauptstadt Accra tut sich sehr viel. In Ghana arbeiten wir mit dem renommierten African Institute for Mathematical Sciences (AIMS) zusammen, wo viele spannende Lösungen entstehen.

Ähnlich verhält es sich mit Tansania. Das Land steht oft im Schatten von Kenia. Für uns war klar, dass wir uns auf Ostafrika konzentrieren möchten, und Tansania ist dort ein aufstrebender Start-up-Markt. Vor Ort arbeiten wir eng mit der renommierten University of Dar es Salaam zusammen, insbesondere mit der mathematischen Fakultät. Deren Studierende haben tolle Ideen und wir hoffen, viele innovative und wissenschaftliche Lösungen kennenzulernen.

Zurück nach Ghana: Beeinflusst die dortige Wirtschaftskrise die Arbeit vor Ort?

Für uns ist die Wirtschaftskrise kein Grund, Ghana den Rücken zu kehren. Ganz im Gegenteil, wir sehen sie als den richtigen Zeitpunkt, um Start-ups zu unterstützen. Angesichts der schwierigen Arbeitsmarktsituation entscheiden sich viele junge Menschen dafür, ihr eigenes Unternehmen zu gründen.

Deutsche Start-Ups auf Afrika vorbereiten

Wie hilft StArfrica deutschen Unternehmen beim Markteintritt?

Für einen erfolgreichen Marktzugang organisieren wir die branchenübergreifenden "StArfrica Erfahrungswochen" in Deutschland und Ruanda. Während dieser Zeit erhalten Gründerinnen und Gründer aus beiden Ländern die Möglichkeit, das jeweils andere Land zu besuchen und den lokalen Markt kennenzulernen sowie Kontakte mit ansässigen Unternehmen zu knüpfen.

Ein weiteres Angebot sind unsere Africa Business Workshops in Deutschland: Hierbei sensibilisieren wir Start-ups sowie kleine und mittelständische Unternehmen für praktische Aspekte bei einer Geschäftstätigkeit oder Unternehmensgründung vor Ort. Oft kommen die Teilnehmer mit einem bestimmten Bild von Afrika in diese Workshops. Wir möchten jedoch, dass die Unternehmen erkennen, dass sich in vielen Bereichen auf dem Kontinent etwas tut. Ganz aktuell zum Beispiel bei der Künstlichen Intelligenz (KI), die neue Investitions- und Kooperationsmöglichkeiten eröffnet.

Was tut sich aktuell auf dem Markt in Ghana?

Besonders interessant ist das Thema Mobilität: Ein Beispiel dafür ist Wahu!. Das Unternehmen hat ein E-Bike entwickelt, das speziell auf den ghanaischen Markt zugeschnitten ist und das bereits Lieferdienste wie Uber Eats nutzen. Ein deutsches Start-Up könnte hier im Bereich Mobilität weiter kooperieren.

Welche anderen Sektoren sind für deutsche Start-Ups in Ghana interessant?

Spannend sind die Finanzdienstleistungen. Ich habe das Unternehmen Oze kennengelernt, das eine spezielle Zahlungsplattform für Start-ups entwickelt hat. Ein Finanzdienstleister könnte Interesse haben, durch Zusammenarbeit oder Investitionen mitzuwirken. Allerdings ist die FinTech-Branche auf den afrikanischen Märkten sehr wettbewerbsintensiv, was es schwierig macht, mit Innovationen herauszustechen.

Auch der AgriTech-Bereich in Ghana könnte für deutsche Start-ups interessant sein, da die Menschen dort stark von der Landwirtschaft abhängig sind und bessere Lösungen benötigen. Ich persönlich wünsche mir, dass deutsche Unternehmen sich verstärkt auch dem Bereich MedTech widmen, da es viele Herausforderungen im ghanaischen Gesundheitssektor gibt.

Und wie sieht es in Tansania aus?

Wir beobachten einen starken Fokus auf der klassischen Landwirtschaft. Jedoch gibt es auch hier Entwicklungen im Bereich AgriTech. Bei einem Gespräch mit einem Gründer erfuhr ich, dass es Bestrebungen gibt, Tansania stärker im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) zu positionieren. Derzeit versuche ich, ein Gespür dafür zu entwickeln, welche Lösungen auf dem tansanischen Markt eine höhere Nachfrage haben.

Seitenwechsel: Deutschland als Markt für afrikanische Gründer?

Spielt Deutschland bereits eine Rolle für afrikansiche Gründer? Oder konzentrieren sie sich hauptsächlich auf Märkte wie USA und China?

Weltweit haben die USA einen großen Vorsprung für Gründer, und wahrscheinlich gilt das auch für China. Das heißt jedoch nicht, dass nicht auch in Deutschland investiert werden kann. Die Menschen müssen nur verstehen, dass es auch hier Möglichkeiten gibt. Wenn immer nur von USA, China und Israel gesprochen wird, dann kommen natürlich keine Gründer nach Deutschland.

Wie verbinden Sie eigentlich deutsches Gründungsklima mit afrikanischen Ideen?

Studentinnen des African Institute for Mathematical Sciences (AIMS) nehmen am StArfrica Accelerator-Programm in Ghana teil StArfrica - Startup Germany Africa Dies ist ein eingebettetes Bild

Wir an der Uni Koblenz sind die einzige deutsche Hochschule, die afrikanische Studenten und Absolventen systematisch unterstützt, sich für das „EXIST Gründungsstipendium“ zu bewerben. Das ist ein deutsches Programm für Existenzgründungen.

Wenn ein Student aus Ghana eine Idee oder Lösung hat, die für den deutschen Markt interessant sein könnte, dann kann er über die Uni Koblenz eine Bewerbung für das EXIST Gründungsstipendium einreichen. Wir helfen ihm dabei, den Antrag zu stellen. Die Entscheidung darüber, wer das Stipendium erhält, trifft dann der Projektträger von Exist. Wir haben schon einige Bewerbungen eingereicht und warten nun gespannt auf Rückmeldung.

Welche Start-ups aus welchen Branchen sehen Deutschland als Markt?

Immer mehr afrikanische Tech-Start-ups versuchen in verschiedenen Branchen auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen. Zum Beispiel bieten drei ruandische Unternehmen in Deutschland Apps und Plattformen für den Bildungs- und Landwirtschaftssektor an.

Für deutsche Unternehmen sind vor allem Start-ups aus dem IT- und Technologiesektor interessant, da es in Deutschland einen erheblichen Fachkräftemangel gibt. Dabei gilt es, eine Balance zwischen den Bedürfnissen der deutschen Unternehmen und den vorhandenen Fachkräftekapazitäten in den afrikanischen Märkten zu finden.

Vorteile der afrikanischen Diaspora nutzen

Inwieweit spielt die afrikanische Diaspora im Unternehmertum eine Rolle? Und wie kann sie dazu beitragen, Brücken zwischen Kontinenten zu bauen?

Es gibt eine zunehmende Anzahl von Unternehmern aus der afrikanischen Diaspora. Und es ist wichtig zu erkennen, dass Unternehmertum in Deutschland sich verändert und vielfältiger wird. Menschen in der Diaspora haben den Vorteil, aus zwei Welten zu stammen. Ein deutsch-nigerianischer Unternehmer hat in Deutschland eine Social-App entwickelt und plant mit seinen Erfahrungen auch eine Lösung für Nigeria. Diese beiden Perspektiven zusammen sind äußert wertvoll, weil sich so die Probleme vor Ort in den afrikanischen Märkten anders wahrnehmen lassen und Ideen für alternative Lösungen entstehen.

Dafür engagieren Sie sich auch ehrenamtlich?

Ja, ich bin seit zwei Jahren Mitglied beim ADAN e.V., einem Netzwerk für afrikanische Personen in der Diaspora sowie für Menschen, die sich für Afrika interessieren.

Jedes Jahr bieten wir zwei Mentorenprogramme an, bei denen wir Jugendliche beispielsweise mit Wirtschaftsmentoren aus der afrikanischen Diaspora in Deutschland zusammenbringen. Aufgrund meines nigerianischen Hintergrunds habe ich die Aufgabe, passende Mentoren für diese Schüler auszuwählen. Dank meiner Verbindungen verfüge ich über ein großes Netzwerk, das ich für beide Seiten nutzen kann. Wir planen gemeinsame Veranstaltungen, auf denen wir afrikanische Start-Ups mit der Diaspora in Deutschland vernetzen.

Welche afrikanischen Märkte wird StArfrica als nächstes ins Auge fassen?

Wir erhalten viele Anfragen aus Nigeria für eine mögliche Präsenz dort. Entscheidend sind für uns jedoch unsere eigenen Recherchen, um das Potenzial gründlich auszuloten.

Das Interview führte Stephanie Zemmrich von Germany Trade & Invest im Juni 2023.

Weitere Informationen

Erfahrungsberichte zu Start-ups in Afrika

Vernetzt: Ägyptisches FinTech digitalisiert Gewerkschaftsdienste

Der Start-up-Sektor in Ägypten zieht Investoren an. Dina El-Fouly erklärt, wie sie mit ihrem Fintech Neqabty Gewerkschaftsdienste digitalisiert, und spricht über Expansionspläne.

FinTech: Inkassodienstleister setzt auf künstliche Intelligenz

Das Fintech BFREE hat sich in Nigeria auf digitales Forderungsmanagement für Banken spezialisiert. Die KI ist dabei erfolgreicher als Mahnungen per SMS oder Anruf.

Hergeschaut: Crowdinvesting bietet Unternehmen mehr als Geld

Ein Container, eine maßgeschneiderte Backstube und eine 52 KW-starke Solaranlage – das sind die Grundzutaten für eine Solarbakery.

Solarenergie: Verlässlicher Strom für Mittelständler in Sambia

Das Berliner Startup GRIPS Energy bietet kleinen und mittleren Unternehmen in Entwicklungs- und Schwellenländern vorfinanzierte Lösungen zur Nutzung erneuerbarer Energien.

WasserKioske: Sauberes Trinkwasser dank integrierter Solaranlage

Mit seinen „WasserKiosken“ ist das Berliner Startup Boreal Light in vielen afrikanischen Ländern erfolgreich. Geschäftsführer Dr. Hamed Beheshti erläutert sein Geschäftsmodell.

Vom Keller in den Supermarkt: Haferflocken finden reißenden Absatz

Hafer zu Haferflocken zu verarbeiten ist in Äthiopien neu, der Markt groß. Welche Pläne die Jungunternehmerin hat und was zur Umsetzung fehlt.

Jung und kreativ: Siemens setzt auf Südafrikas Experten

Als weltweit agierendes Unternehmen ist der Technologiekonzern Siemens schon seit langer Zeit auf dem afrikanischen Kontinent präsent.