Maisanbau, Provinz Kwanza Sul, Angola

Angola gibt jedes Jahr hohe Summen für Lebensmittelimporte aus – dabei könnten viele der importierten Produkte auch vor Ort produziert werden. Das Land punktet mit guten klimatischen Bedingungen, fruchtbaren Böden und einer strategisch vorteilhaften Lage im südlichen Afrika. Giselle Llanes ist Branchenexpertin für Land- und Ernährungswirtschaft an der Delegation der Deutschen Wirtschaft in Angola (AHK Angola). Im Interview spricht sie über das enorme Potenzial Angolas, welche Herausforderungen es gibt – und warum ein gemeinsamer Auftritt als „German Cluster“ besonders vielversprechend wäre.

Die Nachfrage nach modernen Agrartechnologien in Angola ist groß

Frau Llanes, wie würden Sie das aktuelle Marktpotenzial der angolanischen Landwirtschaft beschreiben?

Giselle Llanes privat Giselle Llanes

Angola verfügt über rund 35 Millionen Hektar potenzielles Ackerland, von denen bislang nur etwa 6 Millionen genutzt werden – das sind gerade einmal 17 Prozent. Die klimatischen und agrarökologischen Bedingungen sind hervorragend, das Potenzial ist riesig. In Angola gibt es zwei Arten von Produzenten: Kleinbauern, die Gemüse wie Tomaten, Kartoffeln, Süßkartoffeln und Paprika anbauen. Hier ist der Mechanisierungsgrad noch sehr niedrig. Und dann gibt es die Großbetriebe, die mechanisiert und gut organisiert sind und Getreide wie Mais, Soja, Weizen und Bohnen produzieren. Hier besteht eine große Nachfrage nach moderner Technik – von Traktoren und Pflanzmaschinen über Bewässerungssysteme bis hin zu digitalen Lösungen. Besonders gefragt sind Technologien für die mechanisierte Bodenbearbeitung, die Getreideverarbeitung, die Nacherntebehandlung und die digitale Landwirtschaft.

Wie offen sind angolanische Landwirte gegenüber digitalen Lösungen wie Präzisionslandwirtschaft, sensorgestützten Technologien oder mobilen Agrar-Apps?

Das Interesse wächst spürbar – insbesondere bei mittleren und großen Betrieben. Hier rücken digitale Lösungen wie GPS-gesteuerte Geräte, Wetter- und Bodensensoren oder mobile Apps zur Marktanbindung und Ernteplanung zunehmend in den Fokus. Zwar bestehen Herausforderungen wie eingeschränkte Internetverbindungen in ländlichen Regionen und ein hoher Schulungsbedarf, doch erste Pilotprojekte zeigen vielversprechende Ergebnisse. Mit der richtigen Unterstützung können diese Technologien einen entscheidenden Beitrag zur Modernisierung der Landwirtschaft leisten. Deutsche und europäische Unternehmen mit skalierbaren und klimaresilienten Technologien sind hier bestens positioniert.

Gibt es viele ausländische Investitionen in Angolas Agrarsektor?

Ja, und sie nehmen stetig zu – vor allem seit die Regierung Ernährungssicherheit und Importsubstitution zu zentralen politischen Zielen erklärt hat. Investiert wird vor allem in den großflächigen Anbau von Mais, Soja und Reis sowie in Verarbeitungsanlagen, Bewässerungssysteme und Landmaschinen. Auch Saatgutvermehrung, Viehzucht und Geflügelproduktion gewinnen an Bedeutung. Die meisten Investoren stammen aus Brasilien, Portugal, China, Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Häufig erfolgen die Investitionen über öffentlich-private Partnerschaften oder Konzessionsverträge. 

Deutsch-angolanische Partnerschaften im Aufbau

Welche Rolle spielen deutsche Investoren oder Anbieter?

Deutsche Unternehmen sind hier zunehmend präsent – meist über lokale Repräsentanten oder Handelsvertreter. Institutionen wie die AHK Angola und das Wirtschaftsnetzwerk Afrika unterstützen Partnerschaften mit angolanischen Firmen. Auch wenn die Präsenz noch im Aufbau ist, gelten deutsche Anbieter als strategische Partner – insbesondere bei Projekten mit Fokus auf Nachhaltigkeit, Effizienz und Wissenstransfer.

Sie arbeiten als Expertin für Agrarwirtschaft bei der Delegation der Deutschen Wirtschaft in Angola. Wie unterstützen Sie deutsche Unternehmen?

Meine Hauptaufgabe ist es, Chancen für deutsche Technologien und Expertise zu identifizieren und die bilaterale Zusammenarbeit zu stärken. Ich unterstütze deutsche Unternehmen mit Marktinformationen, vermittle zuverlässige lokale Partner und helfe bei der Navigation durch das regulatorische Umfeld. Dazu gehören B2B-Treffen, technische Besuche und konkrete Empfehlungen. Ich arbeite eng mit öffentlichen und privaten Akteuren zusammen, um nachhaltige Praktiken und angepasste Geschäftsmodelle zu fördern – insbesondere in den Bereichen Mechanisierung, Saatgutsysteme und Wertschöpfungsketten.

Giselle Llanes ist Agronomin und arbeitet seit elf Jahren als landwirtschaftliche Expertin im südlichen Afrika. 

Als Branchenexpertin des Wirtschaftsnetzwerks Afrika identifziert sie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWE) Geschäftsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen. Für die Geschäftschancen in der Land- und Ernährungswirtschaft Angola registrieren.

Wie können sich deutsche Unternehmen erfolgreich im angolanischen Markt positionieren?

In Afrika zählen Präsenz, persönliche Kontakte und konsequente Nachverfolgung. Abschlüsse entstehen vor Ort – im direkten Austausch mit Landwirten oder Firmenvertretern. Deutsche Produkte sind für ihre Qualität und Langlebigkeit bekannt, aber für viele Betriebe schlichtweg zu teuer. Ein vielversprechender Ansatz wäre ein „German Cluster“, bei dem mehrere deutsche Firmen gemeinsam auftreten: eine für Sämaschinen, eine für Erntemaschinen, eine für Bodenbearbeitung, eine für Sprühtechnik. Gemeinsam könnten sie Vertrieb, Service und Finanzierung über lokale Banken organisieren. So ließen sich hohe Qualität und guter Service mit wettbewerbsfähigen Preisen verbinden – statt teurer Einzelverkäufe.

Gemeinsam auftreten und Förderprogramme nutzen

Was sind die größten Herausforderungen für die landwirtschaftliche Entwicklung in Angola?

Die größten Hürden sind Bürokratie, Infrastrukturdefizite in ländlichen Gebieten und die Finanzierung. Gerade kleine und mittlere Betriebe haben Schwierigkeiten, Kredite für Investitionen zu erhalten. Auch im Bereich der technischen Ausbildung besteht großer Nachholbedarf. Es fehlt vielerorts an agronomischem Wissen, moderner Betriebsführung und an Betriebsmitteln wie Saatgut, Dünger und Pflanzenschutzmitteln, die meist importiert und teuer sind. Diese Herausforderungen erfordern koordinierte Maßnahmen von Regierung, Privatsektor und internationalen Partnern.

Gibt es staatliche Förderprogramme oder Finanzierungsmechanismen für den Import von Agrartechnik und Betriebsmitteln?

Ja, die gibt es. Über das Programm PRODESI unterstützt die Regierung die lokale Produktion und bietet Finanzierung für Maschinen und Betriebsmittel. REDA bietet regulatorische und finanzielle Anreize für Investoren. Zudem gibt es Steuervergünstigungen: Agrarprodukte und Maschinen können von Zöllen und Mehrwertsteuer befreit sein. Banken wie BDA, BCI, Keve und kommerzielle Banken bieten spezielle Kreditlinien für Agrarprojekte.

Sie nehmen an der Agritechnica 2025 in Hannover teil. Was erwarten Sie von der Messe?

Die Agritechnica ist die Weltleitmesse für Landtechnik und ein zentraler Treffpunkt für Entscheider und Fachleute der internationalen Agrarbranche. Sie bietet eine hervorragende Plattform, um Angolas Potenzial zu präsentieren. Ich hoffe, das Interesse deutscher und internationaler Unternehmen für Investitionen in und Technologietransfer mit Angola zu wecken. Mein Ziel ist es, bilaterale Kooperationen zu vertiefen, strategische Partnerschaften aufzubauen und den technischen Austausch zu fördern – etwa zu Präzisionslandwirtschaft, klimaresilienten Technologien und Schulung. Die Messe ist ideal, um Kompetenzen zu vernetzen und gemeinsam die Landwirtschaft in Angola nachhaltig zu transformieren.

Das Interview führte Jenny Marie Tala, Director Southern Africa bei Germany Trade & Invest, im August 2025.

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