Schulung von Technikern in Benin

Bei der Dialyse sind Technik und Prozesse komplex, sodass Fachwissen unverzichtbar ist.

In Deutschland gibt es zwei große Hersteller von Dialyseprodukten. Bei dem einen hat Marco Fürstenberg seine Diplomarbeit geschrieben und eine Weile gearbeitet. Für den anderen hat der gebürtige Südafrikaner nach zwölf Jahren Beschäftigung mittlerweile seit 2018 den technischen Vertrieb für neue Dialysezentren in vielen Ländern Afrikas übernommen. Was genau er als externer Dienstleister macht und warum seine mittlerweile fünfköpfige Firma Fürst Solutions in Frankfurt viel zu tun hat, schildert er im Interview.

Afrika investiert in Gesundheitsversorgung

Herr Fürstenberg, wie läuft Ihr Geschäft?

Marco Fürstenberg, Fürst Solutions Fürst Solutions Marco Fürstenberg, Fürst Solutions

Sehr gut. In Afrika ist der typische Patient in einem Dialysezentrum unter 30 Jahre alt. Obwohl die Bevölkerung sehr jung ist, braucht der Kontinent noch viele Dialysezentren. In Senegal zum Beispiel haben wir inzwischen 16 Zentren installiert, alle in staatlichen Krankenhäusern in unterschiedlichen Orten. Eine Einrichtung mit 15 Betten kostet dabei inklusive Verbrauchsmaterial rund eine halbe Million Euro.  

Haben Sie in Afrika keine Konkurrenz?

Wenn wir dort irgendwo eine Einrichtung installieren, dann ist nebenan immer noch Platz für den deutschen Wettbewerber. Internationale Konkurrenz treffe ich in Afrika kaum an: keine Japaner, keine US-Amerikaner, keine Franzosen. Chinesische Anbieter sind zwar begrenzt aktiv, haben mit Blick auf den Service aber einen schlechten Ruf. Und der ist gerade bei Dialysezentren äußerst wichtig. Wenn Hersteller nach der Lieferung nicht mehr greifbar sind, kann so eine Einrichtung nach einem halben Jahr stillstehen – und der Anbieter wird vorerst keinen Auftrag mehr bekommen.

Haben afrikanische Länder das Geld für solche Dialysezentren?

Regierungen in Afrika nehmen zunehmend wahr, dass sie mit Investitionen in die Gesundheitsversorgung bei ihrer Bevölkerung punkten können. Die Verwaltungen bekommen dafür mehr Geld und haben Druck, Projekte voranzutreiben. Damit ermöglichen sie auch, dass ein Präsident oder Minister ein neues Krankenhaus oder ein Dialysezentrum eröffnet.

Projektakquise beginnt vor Ort

Wie kommen Sie als Anbieter zum Zuge?

Gesundheitsbehörden beschaffen unsere Ausrüstungen normalerweise per Ausschreibung. Oft kennen sie sich allerdings nicht ausreichend in der Materie aus und brauchen technische Unterstützung. Wir können das Ministerium beraten, wie ein Dialysezentrum aussehen könnte oder was es leisten muss. Unsere Konkurrenz tut dies jedoch auch. Aber nur der Anbieter, dessen technische Unterlagen  am besten der Ausschreibung entsprechen, hat später gute Chancen, den Auftrag tatsächlich zu bekommen. Grundsätzlich kann man sagen: Wer nicht vor Ort ist, hat schlechte Karten.

Besuchen Sie diese potenziellen Kunden?

Wir sind häufig dabei, wenn es bereits um ein konkretes Vorhaben geht. Auf jeden Fall mit dabei ist der örtliche Vertreter des deutschen Herstellers. Er leistet die maßgebliche Vorarbeit für die Projektakquise. Er hat die Kontakte zu den maßgeblichen Leuten im Ministerium oder in den Krankenhäusern und bekommt im Idealfall rechtzeitig mit, wenn Interesse besteht.

Sind persönliche Beziehungen da wichtig?

Ja. Man redet nämlich vor allem mit Herrn x oder Frau y und erst in zweiter Linie mit dem Ministerium. Das hat allerdings den Nachteil, dass das Projekt bei einem Personalwechsel schnell weg sein kann. Und solche Personalwechsel sind in Afrika ziemlich häufig, zumal in höheren Positionen der Verwaltung, und in der Politik sowieso. Es gilt die Faustregel: Man sollte zusehen, dass man ein Projekt in längstens zwei Jahren abgeschlossen hat. In Ghana zum Beispiel war ein Projekt für uns leider gestorben, als unser Vertreter nach einem Regierungswechsel nicht mehr „seinen“ Kontakt im Ministerium hatte.

Wenn der Hersteller schon einen Vertreter hat, was ist dann Ihre Aufgabe?

Wir machen für den Hersteller die technische Vertriebsunterstützung: Wir bringen ein neues Dialysezentrum zum Laufen, bilden Technik- oder Pflegepersonal aus und kümmern uns danach um den Kundendienst.

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Kerngeschäft rund um technischen Vertrieb

Warum übernimmt dies alles nicht der Vertreter?

Bei der Dialyse sind Technik und Prozesse relativ komplex. Das beherrscht nicht jeder, und mir hilft da meine jahrelange Tätigkeit in der Branche. Vor allem aber ist das Geschäft mit Medizintechnikprodukten in Europa stark reguliert. Die Anbieter müssen sicherstellen und sehr genau nachweisen, was mit ihren Produkten passiert  – egal, wohin die verkauft wurden. Es wäre ziemlich riskant, diese Arbeit unabhängigen Vertretern zu überlassen. Die könnten das kaum leisten und müssten sich aufwändig dafür zertifizieren lassen. Um diesen Service kümmern sich die Hersteller also bevorzugt selber, durch eigenes Personal aus Deutschland oder durch eine eigene Niederlassung im Land.

Aber Sie sind doch auch unabhängig.

Sicher, aber mein Partner in Deutschland vertraut mir, weil ich in dieser Firma jahrelang gearbeitet habe und Produkte, Prozesse und natürlich auch die Personen gut kenne. Und wir haben die nötigen Zertifizierungen. Der Vorteil für den Hersteller ist klar: Er muss keine eigene, teure Niederlassung aufbauen für Märkte, die in Afrika typischerweise noch sehr klein sind. Das nehmen wir dem Hersteller alles ab, und damit hat er wenig Risiko und niedrige Fixkosten.

Sie und der Vertreter kommen sich also nicht in die Quere?

Im Gegenteil, wir ergänzen uns. So wie in Kamerun vor Kurzem: Wir installierten dort einige Zentren und bildeten Leute aus; der Kunde ist begeistert. Das kommt auch dem Vertreter zugute, den wir ebenfalls ausbildeten und während des gesamten Projektes unterstützten. Er hat jetzt zudem ein Referenzobjekt im Land, was weitere Geschäfte sehr viel einfacher macht. Für den Vertreter leisten wir damit auch eine Art Organisationsentwicklung. Gegenüber dem Hersteller rechnen wir unsere Dienste übrigens mit festen Tagessätzen ab, während der Vertreter üblicherweise in Form einer Umsatzprovision beteiligt ist.

Könnten Sie so einen technischen Vertrieb auch für andere deutsche Hersteller von Medizintechnik übernehmen?

Sicherlich, etwa für OP-Raum-Technik, Ultraschallgeräte oder Ausrüstungen für Intensivstationen, zudem auch für einfachere Dinge wie Krankenhausbetten oder Rollstühle. Gesundheitseinrichtungen haben stets ähnliche Anforderungen an technische Dienstleistungen. Wir können Vertreter für Hersteller ausbilden und nach deren Anforderungen auf den gewünschten, europäischen Stand bringen. Gute Beziehungen zu potenziellen Kunden in Afrika haben wir ja bereits durch unser laufendes Geschäft. Und ein Ministerium oder Krankenhaus, das in Dialysetechnik investiert hat, braucht auch andere medizinische Ausrüstungen. Auf deutscher Seite haben wir Hersteller, die das alles liefern können; nur besitzen sie noch keinen Zugang zu potenziellen Kunden.

Weitere Informationen

Das Interview führte Ulrich Binkert von Germany Trade & Invest im November 2021. 

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