Industriearbeiter inspiziert Maschine

Estifanos Samuel berichtet, wie Unternehmen in Äthiopien einen Kundendienst und ein gutes Angebot für Wartungen und Service anbieten können.

Deutsche Maschinenbauer, die den ostfrikanischen Markt erschließen wollen, brauchen einen lokalen Partner. Und Verständnis für die Belange der Kunden in Äthiopien. Estifanos Samuel ist in Kreisen des deutschen Äthiopiengeschäfts ein bekanntes Gesicht. Seit einem Jahrzehnt organisiert der 43-Jährige, der mit elf Jahren nach Köln kam, Wirtschaftsforen und berät ausländische Kunden zu Investitionen und Projekten in Äthiopien.

Mittlerweile wieder in Addis Abeba ansässig, vertritt er im Hauptgeschäft den Maschinenbauer GEA und andere Techniklieferanten vorwiegend aus Deutschland und der Schweiz. Drei von derzeit zwölf Mitarbeitern seiner East Africa Partners Consulting plc sprechen Deutsch. 

Estifanos Samuel spricht darüber, wie deutsche Maschinenbauer ihren Kundendienst in Äthiopien regeln können, ob das Land überhaupt ein passender Markt für Nahrungsmittelmaschinen made in Germany ist und warum man einen Brief manchmal per WhatsApp schicken sollte.    

Mehr "deutsche" Äthiopier könnten hier Maschinenbauer vertreten

Wie sorgen Technikanbieter in Äthiopien für die Wartung ihrer Maschinen? 

Der Abfüllspezialist Krones und einige andere große Anbieter haben dafür eigene Niederlassungen im Land. Die kümmern sich neben dem Verkauf auch um die Wartung bei Brauereien oder Getränkeherstellern wie Coca-Cola. Solch große Kunden sind in Äthiopiens Nahrungsmittelbranche aber die Ausnahme. 

Meist geht es um kleine, nicht so teure Anlagen. Die Margen in dem begrenzten Markt sind klein. Eine eigene Niederlassung wäre für Maschinenbauer daher viel zu teuer. Außerdem braucht man für die Gründung einer Filiale eine Service-Geschäftslizenz. Diese bekommen Ausländer nur in wenigen, als "essenziell" eingestuften Branchen. Ansonsten benötigen sie dafür einen äthiopischen Partner. 

Ist die Wartung von Deutschland aus eine Möglichkeit?

Ein Flug eines deutschen Servicetechnikers nach Äthiopien und der Aufenthalt dort würden schnell halb so viel kosten wie die ganze Nahrungsmittel- oder Verpackungsmaschine. Das ist deshalb auch keine wirkliche Option. Die Wartung muss also durch äthiopisches oder kenianisches Personal erfolgen. 

Und wie finden Unternehmen geeignetes Personal?

Wir selbst haben keine Ingenieure oder Mechaniker angestellt und können uns dies, zusätzlich zu unserem anderen Geschäft, auch nicht leisten. Solche Leute hier zu finden und zu halten ist aufwändig, und das Geld dafür muss man erst mal verdienen. 

Die naheliegende Lösung wäre, dass deutsche Maschinenanbieter ihre Vertreter unterstützen, die notwendigen Ressourcen für den Service aufzubauen. Alternativ könnten auch eigenständige äthiopische Firmen mit Ingenieuren und Mechanikern den Job übernehmen.

Gibt es äthiopische Firmen, die den Service übernehmen könnten?

Meines Wissens bisher nicht. Ich bin aber dabei, ein entsprechendes Netzwerk aufzubauen, an das sich deutsche Techniklieferanten für Wartungsdienstleistungen dann wenden könnten. Solche Wartungsfirmen sind überhaupt ein gutes Geschäftsmodell. Bei Maschinen verdient man hier sein Geld meist nicht beim Verkauf, sondern mit dem Service. 

Wo sollen diese Ingenieure und Mechaniker dann herkommen?

Es gibt hier recht viele Äthiopier, die in Deutschland gelebt haben oder, wie ich, dort aufgewachsen und gut ausgebildet sind. Die würden sehr oft auch gerne für ein deutsches Unternehmen arbeiten. Nach jedem deutsch-äthiopischen Businessforum, das ich veranstalte, fragen mich bestimmt zehn gut qualifizierte Leute nach solchen Jobs.

Eine gute Anlaufstelle ist die Association of Ethiopians Educated in Germany – Äthiopier also, die in Deutschland ausgebildet wurden. In Deutschland bietet sich der Kontakt zum Deutsch-Äthiopischen Studenten- und Akademikerverein an – einen Mechaniker wird man dort allerdings eher nicht finden. Ansonsten gibt es hier kaum die nötigen Strukturen, die in entwickelten Märkten üblich sind. Deshalb freue ich mich, dass die deutsche Auslandshandelskammer in Addis Abeba ein Büro eröffnen will. In der aktuellen Regierung sprechen übrigens bestimmt fünf Minister einwandfrei Deutsch.

Sehen Sie weitere Möglichkeiten, den Service in Äthiopien sicherzustellen?

Ein naheliegendes Konzept, auch für andere Themen, ist der Aufbau eines Firmenpools, so wie deutsche Firmen es schon früh in Singapur oder anderswo gemacht haben: Man mietet ein Gebäude, zum Beispiel in einem der vielen Industrieparks hier, und bietet zehn deutschen Firmen eine gemeinsam genutzte Infrastruktur. Bei entsprechender Zusammensetzung kann ein solcher Pool möglicherweise auch den Aufbau eines gemeinsamen Serviceteams stemmen. 

Preiswerte Maschinen sind gefragt

Was muss ein deutscher Anbieter hier sonst im Blick haben?

Dass die Nahrungsmittelhersteller hier klein anfangen und sich erst einmal in einen Markt hineintasten; es fehlt an Kapital und vielem mehr. Dafür brauchen die Kunden kleine, eher einfache und vor allem preiswerte Maschinen. Erst wenn das Projekt läuft, wird gegebenenfalls erweitert – wie das zurzeit im boomenden Geschäft mit abgefülltem Trinkwasser oft geschieht. Es gibt auch in Äthiopien Kunden wie die Brauereien, die State-of-the-art-Technik wollen und auch bezahlen. Aber die meisten Nahrungsmittelhersteller sind klein. 

Passt das deutsche Technikangebot zum äthiopischen Markt?

Jein. Deutsche Firmen sind gut bei effizienten Anlagen, die sind aber in Relation zur Produktionskapazität eben teuer. Aber auch sie haben eigentlich die passende Technik im Angebot. Sie müssten ein passendes Angebot zusammenstellen und betreuen. Diesen Aufwand scheuen deutsche Anbieter oft.

Italienische Maschinenbauer sind da oft besser, und das nicht nur bei Anlagen für die Herstellung von Brot, Pasta oder Pizza. In Italien gibt es viele kleine Maschinenbauer, die flexibel agieren. Sie sind auch stets breit auf Messen und anderen Branchenevents vertreten, auch wenn Deutschland da schon recht gut präsent ist. 

Die Deutschen müssen ihre Chancen also einfach nutzen?

Nahrungsmittelverarbeitung hat hier in Äthiopien einen hohen Stellenwert. Die Hersteller achten auf Qualität in der Ausrüstung und blicken erst einmal mit großer Sympathie und auch Kaufinteresse auf das deutsche Angebot, weil das als hochwertig bekannt ist. 

Technische Zeichnung auf dem Handy

Die Kommunikation mit Äthiopien scheint eine ziemliche Herausforderung zu sein?

Da haben Sie wahrscheinlich E-Mails geschickt, das läuft hier nicht so optimal. Die meisten Leute hier haben keinen Desktop im Büro, sondern arbeiten mit dem Smartphone und nutzen dabei vor allem Messengerdienste. Neben WhatsApp besonders Telegram – Äthiopien ist neben Iran einer der wichtigsten Märkte für diesen Service –, manchmal auch Imo oder Viber. Das heißt dann zum Beispiel, dass man auch mal einen Brief abfotografiert und dann per WhatsApp verschickt. Neulich hat sich ein deutscher Partner gewundert, dass mein Mitarbeiter dessen technische Zeichnung auf dem Handy anschaute.

Hängt das auch mit der Festnetzqualität des Telekom-Monopolisten zusammen?

Wir hier im Büro haben kein Festnetz, sondern nur 4G, worüber auch das interne W-LAN läuft. Der Mobilfunk ist viel schneller als jede Festnetzleitung über DSL, wo zudem immer wieder gar nichts geht, weil zehnmal am Tag kurz oder auch mal stundenlang der Strom ausfällt. Handy und Mobilfunk laufen auch ohne Strom. 

Stimmt die Chemie zwischen Deutschen und Äthiopiern?

Deutsche fühlen sich normalerweise sehr schnell wohl hier und kommen gut mit den Menschen zurecht. Es kommt schnell zu einem Gefühl der Vertrautheit, das übrigens auf Gegenseitigkeit beruht. Geschäftsleute hier schätzen die Deutschen und wissen auch um ihre Befindlichkeiten. Ich habe selten erlebt, dass ein Äthiopier da einen Termin abgesagt hat oder auch nur zu spät kommt.

Umgekehrt sehe ich noch Luft nach oben. Manche deutschen Manager sind sich der Lage ihres einheimischen Gegenübers nicht ausreichend bewusst. Wie schwierig etwa die Devisenbeschaffung ist, dass Arbeiter plötzlich einfach nicht mehr auftauchen oder dass man prinzipiell kreativ sein muss, um mit all den Herausforderungen klarzukommen. 

Das Interview führte Ulrich Binkert von Germany Trade & Invest Mitte 2020. 

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