Eiko Behrens mit Mitgliedern des AREOS Teams und dem Anyuak-König

Eiko Behrens investiert über 100 Millionen Dollar in Getreidefarmen im Südsudan.

Das Vorhaben klingt ziemlich ambitioniert für das zweitärmste Land der Welt: eine Investition von über 100 Millionen Dollar für mindestens zehn Getreidefarmen mit jeweils 5.000 Hektar, auf denen in Zukunft große Landmaschinen Mais und Hirse ernten sollen. In Südsudan lebt die Bevölkerung meist von der Subsistenzlandwirtschaft – oder von den Hilfslieferungen des World Food Programme der UN, das jährlich Hunderttausende Tonnen von importiertem Getreide im Land verteilt.

Genau das will Eiko Behrens mit seinen Farmen ändern. Als Verbindungsoffizier der UN hatte der Reserve-Oberstleutnant der Bundeswehr 2016 ein äußerst fruchtbares Land kennengelernt. Inzwischen hat sich Behrens, der sein Geld mit Beteiligungen seiner Investmentgesellschaft Areos verdient hat, 100.000 Hektar Land an der Grenze zu Äthiopien gesichert. Im Interview schildert er, wie er das komplizierte Thema mit dem Land angeht und dass der Weg zum Präsidenten auch über den König führen kann.

Lokale Gemeinschaft kommt vor staatlichen Stellen

Herr Behrens, sind Sie ein Land Grabber?

Nein, ganz im Gegenteil. Land Grabbing ist in Afrika definitiv ein Thema, zum Beispiel in Äthiopien. Dort konnten internationale Agrarinvestoren gigantische Gebiete pachten, ohne die ansässige Bevölkerung einzubinden. In der Folge kam es zu großflächigen Abholzungen, Umweltschäden und zum Teil auch zur Vertreibung der indigenen Bevölkerung. Wir sind in der Republik Südsudan aber den umgekehrten Weg gegangen, indem wir uns zuerst mit der lokalen Gemeinschaft verständigt und ein gemeinsames Konzept zur Landnutzung erarbeitet haben. Erst danach sind wir dann - sozusagen "bottom-up" - an die relevanten Behörden und staatlichen Institutionen herangetreten.

Wie gingen Sie da vor?

Während meines Einsatzes für die UN lernte ich verschiedene Teile von Südsudan kennen, dabei gab es natürlich auch viele Kontakte zu Politikern. Die Nahrungsmittelknappheit gehörte immer zu den zentralen Themen – und ebenso die Frage, warum ein Land, das über fruchtbare Böden und große Süßwasservorräte verfügt, es einfach nicht schafft, eine leistungsfähige Landwirtschaft aufzubauen. Mit Hilfe von Machbarkeitsstudien haben wir dann nach geeigneten Standorten zum Aufbau einer lokalen Getreideproduktion gesucht. Entschieden haben wir uns schließlich für eine Investition im Gebiet des Anyuak-Stammes, das im Osten des Landes bei der Ortschaft Pochalla liegt und in etwa so groß wie das Saarland ist. Nach einem langen und intensiven Dialog mit der lokalen Gemeinschaft konnten wir Ende 2018 in Berlin einen Pachtvertrag über die Nutzung von 100.000 Hektar Boden unterzeichnen.

Mit wem unterzeichneten Sie den Vertrag?

An der Spitze der Delegation stand der König der Anyuak, der als Stammes-Oberhaupt seiner Gemeinschaft den Vertrag federführend verhandelt hat. Später wurde das Dokument von staatlicher Seite durch Südsudans Präsident offiziell bestätigt. Salva Kiir Mayardit konnten wir Anfang 2019 erstmalig in Rom treffen. Er lud uns offiziell nach Südsudan ein, wo wir einige Wochen später in der Hauptstadt Juba das Projekt in den zuständigen Ministerien vorstellen durften und den Vertrag abgesegnet bekamen. Erst damit wurde die Vereinbarung rechtlich bindend, da der Boden dem Staat gehört. Die indigenen Stämme besiedeln und bewirtschaften zwar das Land, sind aber keine Eigentümer im juristischen Sinn. Privateigentum an Grund und Boden findet man bisher nur in der Hauptstadt. Dort existiert auch eine Art Grundbuch- und Katasteramt.

Grenzüberschreitende Kooperation mit Äthiopien

Welche Rolle spielt dabei Äthiopien?

In Südsudan gibt es nur wenige befestigte Straßen, deshalb stellen Transporte auf dem Landweg – besonders während der Regenzeit – eine enorme Herausforderung dar. Allerdings grenzt unser Pachtland direkt an die Region Gambela in Äthiopien, die infrastrukturell gut erschlossen ist. Deshalb möchten wir schweres Gerät und Material über diesen Weg transportieren. Dafür planen wir die Errichtung eines Logistikzentrums am Flughafen Gambela sowie den Bau einer Brücke zur Überquerung des Grenzflusses. Die Anyuak sind auf beiden Seiten der Grenze ansässig. Durch diesen Übergang, der bereits Vertragsbestandteil ist, erhalten sie erstmalig eine Verkehrsverbindung zwischen dem äthiopischen und dem südsudanesischen Teil. Davon dürften auch Händler und lokale Startups profitieren, weshalb dieses Vorhaben Unterstützung durch die Gemeinschaft erfährt.

Und die äthiopische Seite holten Sie auch mit ins Boot?

Natürlich, denn einerseits lebt in der äthiopischen Nachbarregion derselbe Stamm und andererseits brauchen wir eben diese infrastrukturelle Anbindung. Deshalb bin ich auch gleich nach der Unterzeichnung des Pachtvertrages nach Äthiopien gereist und habe mich mit dem Gouverneur von Gambela getroffen. Dort wurde unser Vorhaben gut aufgenommen. Übrigens hatten die Anyuak alle offiziellen Termine in Gambela organisiert, sodass die Türen bereits geöffnet waren. Unser "bottom-up-Ansatz“ hatte sich damit auch auf äthiopischer Seite ausgezahlt.

Hat der Anyuak-König in Südsudan seine Leute hinter sich oder müssen Sie mit stammesinterner Opposition rechnen?

Der König ist die entscheidende Autorität seines Stammes, er ist sowohl repräsentativ als auch exekutiv das Oberhaupt der Gemeinschaft. Da es sich um eine Erbmonarchie handelt, wird sein Sohn eines Tages die Nachfolge antreten, was uns als Vertragspartner eine gewisse Kontinuität garantiert. Hilfreich für das interkulturelle Verständnis waren die umfangreichen Aufzeichnungen von Conradin Perner, einem Schweizer Ethnographen, der in den 70er- und 80er-Jahren bei den Anyuak lebte und sie zum besterforschten Stamm des Südsudan machte.

Stützen Sie sich in der Zusammenarbeit nur auf aktuelle Mandatsträger?

Natürlich arbeiten wir mit allen relevanten Institutionen und dabei in erster Linie mit den aktuellen Mandatsträgern. Aber es wäre fahrlässig, sich ausschließlich darauf zu verlassen, da die personelle Fluktuation höher ist als in unseren Breitengraden. Man ist gut beraten, Verbindungen zu Persönlichkeiten auf- und auszubauen, die sich ihren Einfluss auch jenseits des Amtes bewahren.

Klingt logisch. Aber wie finden Sie diese Leute und wie können Sie sie einschätzen?

Da verlasse ich mich einerseits auf unser Advisory Board, in dem einige gut vernetzte Südsudanesen vertreten sind, und natürlich auf die zum Teil sehr hochrangigen Kontakte "unserer" lokalen Gemeinschaft. Übrigens sollte man in solchen Staaten grundsätzlich keine Scheu vor Militärs oder Ex-Militärs haben. Die Verbindungen zwischen Militär und Politik sind fließend. Dennoch sind Überprüfungen im Hintergrund ratsam, um den Kontakt mit "kontaminierten" Personen zu vermeiden.

Gibt es jenseits rechtlicher Unsicherheiten möglicherweise andere Landkonflikte?

Es gibt Konflikte zwischen Stämmen, die oft schon seit Jahrhunderten bestehen. Auch die Anyuak bekommen immer mal wieder "Besuch" von benachbarten Stämmen, die ihre Rinderherden über die Gebietsgrenzen treiben, was nicht selten in bewaffneten Konflikten mündet. Der lange Bürgerkrieg hat dazu geführt, dass Teile der Zivilbevölkerung über nicht registrierte Handfeuerwaffen verfügen. Inzwischen hat aber der Staat einen Abrüstungsprozess eingeleitet und bereits tausende dieser illegalen Waffen eingesammelt, teilweise gegen heftigen Widerstand.

24-Stunden-Überwachung der Farm ist Voraussetzung

Wie wollen Sie ihre Felder da absichern?

Wir beabsichtigen, eine eigene bewaffnete Schutztruppe aufzustellen. Mit moderner Kommunikations- und Überwachungstechnik ausgerüstet soll sie unsere Farmbetriebe bewachen. Oftmals genügt ja schon die einfache Abschreckung, also allein die Tatsache, dass bewaffnete Wächter rund um die Uhr vor Ort sind. Chinesische Investoren im angrenzenden Äthiopien beschützen ihre Infrastrukturprojekte übrigens auf dieselbe Weise. Deren Security ist angemeldet und registriert, ihre Handfeuerwaffen leihen sie sich ganz offiziell beim äthiopischen Militär.

Hat niemand etwas gegen eine solche Security?

Die Sicherheit unserer Mitarbeiter und Betriebe war eine zentrale Voraussetzung, um ernsthaft über Investitionen in Südsudan nachzudenken. Deshalb haben wir die Themen Schutz und Aufbau einer eigenen Security frühzeitig im Verteidigungsministerium vorgetragen, was dort ausdrücklich begrüßt wurde. In Südsudan werden jedes bessere Hotel, jeder internationale Compound und selbst die Camps der UN von privaten Sicherheitsdiensten bewacht. Insofern ist unser Vorhaben nicht außergewöhnlich.

Zu welchen Konditionen pachten Sie das Land?

Der Vertrag wurde als Social-Impact-Projekt aufgesetzt. Das bedeutet, wir kompensieren die Bodennutzung nicht nur mit der Schaffung von Jobs, sondern auch mit der Errichtung sozialer Infrastruktur. Dazu zählen Projekte in den Bereichen Bildung, Trinkwasser- und Energieversorgung sowie medizinische Hilfe. Parallel zur Größe und Anzahl der Farmbetriebe werden auch die begleitenden Infrastrukturmaßnahmen wachsen. Somit beteiligen wir die lokale Gemeinschaft unmittelbar am Erfolg der Unternehmung.

Projektfinanzierung auch über Entwicklungszusammenarbeit angestrebt

Wie wollen Sie Ihr Projekt eigentlich managen und finanzieren?

Die Projektentwicklung und unsere erste Farm finanzieren wir aus eigenen Mitteln. Für den Ausbau werden wir sicherlich auch Fremdkapital in Anspruch nehmen. Das World Food Programme hat uns eine trilaterale Partnerschaft mit der African Development Bank angeboten. Aber auch andere Banken und Fonds haben bereits Interesse signalisiert. Bei den Kontakten zur deutschen und zu europäischen Förderbanken unterstützt uns unter anderem die bundeseigene Agentur für Wirtschaft & Entwicklung - eine überraschend positive Erfahrung. Für den Aufbau und die Leitung unserer Betriebe setzen wir zunächst auf Know-how und erfahrenes Personal aus Europa.

Sie bauen auf Ihrem Pachtland bei Pochalla schon versuchsweise Mais, Sorghum und andere Feldfrüchte an?

Ja, um Erfahrungen sammeln zu können. Diese Felder bilden quasi die Keimzelle unserer ersten Farm, die zunächst 500 Hektar bewirtschaften wird. Wenn sich Aufwand und Ertrag im Rahmen der Kalkulation bewegen, wird daraus eine "ausgewachsene" Farm entstehen, die auf 5.000 Hektar Getreide produzieren soll.

Schon weiter sind Sie mit Ihrer 100 Hektar großen Gemüsefarm bei Juba.

Wir haben gegenüber der Hauptstadt, direkt am Nilufer, fruchtbares Ackerland gepachtet und produzieren dort unter der Marke Nile Organics frisches Gemüse. Seit Jahren werden ca. 80 Prozent der auf den Märkten in Südsudan angebotenen Lebensmittel aus dem Ausland importiert. Das bedeutet mehrtägige Landtransporte ohne Kühlkette. Entsprechend schlecht ist die Qualität dieser Ware und entsprechend hoch ist die Nachfrage nach frischen Lebensmitteln. Der Aufbau dieser ersten Farm in Hauptstadtnähe war aber auch wichtig, um zu zeigen, dass wir es wirklich ernst meinen und in der Lage sind, ein Projekt schnell und erfolgreich umzusetzen.

Und wie arbeiten die 36 Beschäftigten der Gemüsefarm?

Unsere Mitarbeiter sind sehr motiviert, für viele ist es der erste Job mit einem geregelten Einkommen. Es ist allerdings eine Herausforderung, qualifiziertes Personal zu finden. Bei dessen Rekrutierung stehen Unternehmen wie wir oftmals in Konkurrenz zu den vielen Nichtregierungsorganisationen in Südsudan. In der Parallelwelt dieser subventionierten "Hilfsorganisationen" gelten überhöhte Preise und Gehälter. Gesundes und nachhaltiges Wachstum kann aber auf lange Sicht nur ein freier Markt leisten – im Verbund mit Unternehmen, die auch bereit sind, soziale Verantwortung zu übernehmen.

Weitere Informationen

Das Interview führte Ulrich Binkert von Germany Trade & Invest im November 2021.

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