Das Team von Cormart Nigeria

Das Team von Cormart Nigeria

Deutsche Firmen tun sich mit dem Vertrieb in Afrika oft schwer: Zu klein und zu zersplittert sind die Märkte, zu hoch die eigenen Preise. Dabei gibt es auch in Afrika Unternehmen, die deutsche Produkte bezahlen wollen und können. Vielfach sind es familiengeführte Gruppen, deren Umsätze in die Milliarden gehen. Tropical General Investments (TGI) in Nigeria ist eine davon. Zu ihr gehört das Chemie- und Nahrungsmittelunternehmen Cormart, das Chemikalien vertreibt und zunehmend selbst lokal produziert. Nach Unternehmensangaben steigt der Cormart-Umsatz, bei einer Abflachung durch Corona, jährlich auf Dollarbasis um rund ein Fünftel und erreichte zuletzt etwa 60 Millionen US-Dollar. Im Interview erklärt Geschäftsführer Johannes Flosbach, warum Cormart und TGI bevorzugt Maschinen aus Deutschland und Europa einsetzen. Der aus Deutschland stammende Manager prognostiziert, dass Nigeria generell mehr auf Eigenproduktion setzen wird.

Europäische Technik für nigerianisches Bier

Herr Flosbach, warum setzen Sie in Ihren Fabriken weniger auf günstige Technik aus China?

Johannes Flosbach Cormart/Johannes Flosbach Dies ist ein eingebettetes Bild

Chinesische Ausrüstung nutzen wir überall dort, wo nur gerührt, gemischt und vielleicht noch gekühlt werden muss, oder bei Dingen wie Rohren oder einfachen Armaturen. Die Philosophie unseres Firmengründers ist aber: Spare nicht bei den Maschinen. Deshalb beziehen wir wertmäßig zwei Drittel unserer Technik von europäischen Lieferanten und nur etwa 20 Prozent aus China.


Haben Sie dafür Beispiele?

Nehmen Sie unsere Polymerchemieanlage, ein Millionenauftrag für Maschinenbauer unter anderem aus Köln. Wir produzieren damit ein Bindemittel für Farben, das hier in Nigeria in großen Mengen benötigt wird und wir zunächst importieren mussten. Aus Europa kommt auch die Automatisierung für die Maschinen zur Produktion von Karamell, das als Farbstoff gar nicht so einfach herzustellen ist. Wir verkaufen sehr viel davon an die Brauereien in Nigeria, mit denen wir insgesamt ein Drittel unseres Umsatzes tätigen.

Das sind keine Ausnahmen?

Nein. Unsere Verpackungsanlage für Bügelstärke – übrigens ein Riesenmarkt in Nigeria – kommt aus Italien, und die gesamte Klebstoffproduktion basiert auf europäischer Technik. Bei CHI Farms, der Agroindustriesparte unserer Gruppe, stammen alle Maschinen für die Geflügelproduktion und die Fleischverarbeitung aus Deutschland und den Niederlanden. Man muss dazu sagen, dass TGI 2015 den damals größten Safthersteller Nigerias für fast 1 Milliarde US-Dollar an Coca-Cola verkaufte – das verschaffte Mittel.

Devisenmangel kurbelt lokale Produktion an

Ist Ihre Firmengruppe in Nigeria eine Ausnahme mit ihrem Faible für europäische Technik?

Nein, bei anderen Großunternehmen ist das ähnlich. Beloxxi, der größte Gebäckhersteller hier, hat fast nur deutsche Maschinen. Nigerias größte Unternehmensgruppe Dangote setzt ebenfalls hochwertige Technik ein, ebenso der Schmierölproduzent MRS, der einem Cousin von Aliko Dangote gehört. Auch bei den internationalen Brauereimultis, die Nigerias Biermarkt unter sich aufteilen, ist das so.

Glauben Sie denn generell an eine Zunahme der Produktion in Nigeria? Es gab in der Vergangenheit ja viele Bemühungen der Politik dazu, mit überschaubarem Ergebnis.

Ja, dieses Mal ist es anders. Seit 2015 macht sich der Devisenmangel immer stärker bemerkbar, trotz der hohen Öl- und Gasexporte Nigerias. Es ist schlicht zu wenig Geld da für den Import von Farben, Reinigungsmitteln oder Suppenwürfeln. Devisen für solche Massengüter kann man nur sparen, indem man sie selber herstellt. Und zwar mit möglichst großer Wertschöpfung. Der hier führende Baukonzern Julius Berger hat unlängst eine Fabrik für die Verarbeitung und den Export von Cashews in Betrieb genommen. Der Hauptgrund war, an US-Dollar für den Import von Maschinen oder Baumaterialien zu kommen.

Wie viele Devisen sparen Sie denn durch eigene Produktion ein?

Ein reiner Importeur muss etwa 70 Prozent seines Umsatzes für Einfuhren ausgeben, bei uns sind es nur noch 30 Prozent. Von dem erwähnten Farben-Bindemittel wird inzwischen die Hälfte des nigerianischen Bedarfs lokal produziert. Demnächst wollen wir auch Essigsäure aus lokalem Ethanol herstellen. Wir versuchen nach und nach diejenigen Produkte beziehungsweise Ingredienzien selbst zu erzeugen, von denen Nigeria viel importiert. Bei Karamell war dies genau so.

Weniger importierte Vorprodukte, mehr lokale Wertschöpfung

Wird der Devisenmangel Nigeria dauerhaft zu mehr eigener Produktion zwingen?

Davon sind wir überzeugt. Das ist anders als bei Vorgaben durch die Politik, die sich in der Vergangenheit ja immer wieder mal erratisch änderten oder auch unterlaufen wurden. Immerhin hatte Nigerias Politik der Importsubstitution zu einer gewissen Industrialisierung des Landes beigetragen, auch wenn die oberflächlich blieb. Nigerianische Konzerne wie Dangote sind durch die massive Ausweitung der Produktion nach 2000 zur heutigen Größe angewachsen.

"Oberflächliche Industrialisierung" bedeutet, dass sich wenig Wertschöpfung vor Ort entwickelte?

Genau. Es gab damals noch genug Devisen für den massiven Import von günstigen Vorerzeugnissen, die sich einfach weiterverarbeiten ließen. Dies nutzten einheimische Hersteller wie auch internationale Multis auch aus. Wie bei den Haferflocken: Bei einem Einfuhrzoll von 20 Prozent auf verkaufsfertige Flocken und 5 Prozent auf Vorprodukte haben die Anbieter importierte Haferflocken aus den USA hier nur noch gemischt und abgepackt. Lieferanten von Verpackungstechnik machten gute Geschäfte. Aber es ging eben nur um die letzte Wertschöpfungsstufe. Denn eigentlich ist Produktion in Nigeria recht teuer, etwa durch die hohen Kapitalkosten.

Warum verkaufen deutsche Firmen dann insgesamt trotzdem so wenig an Hersteller in Nigeria?

Nigerias verarbeitende Industrie ist immer noch recht klein, das beschränkt den Markt. Zudem: Bei Farben gibt es vielleicht zehn bis fünfzehn Hersteller, die nach internationalem Standard produzieren. Daneben existieren aber hunderte von Kleinunternehmen mit vielleicht 100 Leuten, von denen 90 ungelernte und schlecht bezahlte Tagelöhner sind. Diese Firmen klären das Abwasser nicht und verkaufen Farben zu unglaublich niedrigen Preisen. Solch ein Unternehmer beschafft natürlich das Billigste vom Billigen.

Deutsche Technik rechnet sich für langfristige Investitionen

Teure deutsche Maschinen sind aber im Vorteil, wo effizient und stabil große Mengen produziert werden?

Ja, wie bei den Brauereien oder wenn ein etablierter Markt den Ausbau einer stabilen Produktion nahelegt. In Nigeria sind die Losgrößen aber meistens klein. Etwa weil Hersteller einen Markt nur antesten: Die wollen die Ausgaben knapp halten und kaufen billige Technik aus China. Oder weil die Kunden typischerweise sprunghaft und kaum planbar bestellen, und dann immer nur kleine Mengen – wie bei unserer Bügelstärke, Deshalb haben wir dafür nicht die eine leistungsstarke Abpacklinie, sondern fünf kleine Anlagen, die wir flexibel einsetzen können.

Ist kurzfristiges Denken und Sprunghaftigkeit generell ein Problem für das Geschäft in Nigeria?

Ja. Auch weil hinter einer neuen Produktion oft ein Branchenfremder steht. Jemand, der aus einem anderen Geschäft oder von Banken viel Geld bekommen hat und nun ein neues Unternehmen plant, um sein Risiko zu streuen. Solche fachfremden Investoren wollen ihr Geld vor allem schnell wieder rein bekommen. Deshalb werden sie kaum in teure deutsche Maschinen investieren, die sich erst über eine lange Abschreibungszeit rechnen.

Wie gehen Sie damit um?

Einerseits haben wir eine Strategie, wo wir hinwollen – das ist vor allem die lokale Produktion. Im täglichen Geschäft beschäftigt uns aber viel mehr die Frage: Was müssen wir machen, damit es bei uns trotzdem gut geht, wenn um uns herum ganz viel schief läuft? Es ist in Nigeria sehr riskant, nur ein Geschäftsmodell zu haben, und man sollte sehr flexibel bleiben.

Von Orangen zu Hühnern – Erfolg erfordert Flexibilität

Hilft dieses flexible Denken aber auch dabei, wenn es um neue Marktchancen geht?

Absolut. 1982 erließ die Regierung Zölle auf importiertes Orangensaftkonzentrat. Also pflanzte unser Unternehmensgründer Orangenbäume, die sich nach fünf Jahren erstmals abernten lassen. Leider waren schon nach zwei Jahren die Zölle wieder weg und damit auch die Basis für das Geschäft. Also baute man Hühnerställe zwischen den jetzt nutzlosen Bäumen – heute ist unsere Gruppenfirma CHI Farms der größte Hähnchenproduzent Westafrikas.

Machen Sie eigentlich auch das Scheuerpulver da hinten auf der Palette?

Ja, das ist billiger als die Scheuermilch, auf die man in Deutschland ja längst umgestiegen ist. Neulich fragte übrigens auch ein deutscher Discounter unser Pulver an. Mit der Inflation in Deutschland sind solche preiswerten Waren auch dort wieder gefragt. Unsere Produktionsmaschinen dafür sind zwar nicht aus Deutschland, aber die Qualität der Produkte ist auf ähnlichem Niveau wie “Made in Germany”.

Das Interview führte Ulrich Binkert von Germany Trade & Invest im August 2023.

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