Schulung in der SCHAUFLER Academy, dem internationalen Schulungs- und Trainingszentrum von BITZER

Bereits seit 1934 dreht sich beim Sindelfinger Unternehmen BITZER alles um Kälte- und Klimatechnik. Die Produkte kommen beispielsweise bei der Kühlung von Lebensmitteln, bei der Klimatisierung von Räumen oder komplexen Industrieanlagen zum Einsatz. Mittlerweile ist BITZER weltweit in über 90 Ländern vertreten, seit 2016 vermehrt auf dem afrikanischen Kontinent.

Frau Huth, seit wann ist ihr Unternehmen in Afrika aktiv?

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Die BITZER Gruppe exportiert schon seit knapp 30 Jahren über ihre Tochtergesellschaften in Südafrika oder Frankreich nach Afrika. Allerdings haben wir beobachtet, dass unsere Produkte bereits in vielen Märkten Afrikas zu finden waren – über Handelsstrukturen, die wir nicht steuern konnten. Daher beschlossen wir 2015, unser Geschäftsmodell zu erweitern und näher an unsere Kunden heranzurücken. 2016 haben wir unsere erste Niederlassung in Kenia gegründet. Ein Jahr später kamen dann Senegal und Nigeria dazu und im letzten Jahr wurde eine Niederlassung in der Elfenbeinküste eröffnet.

Wie schätzen Sie das Marktpotenzial für Ihre Produkte in Afrika ein?

Wir glauben an die afrikanischen Märkte. Die Landwirtschaft und die Lebensmittelverarbeitung bieten großes Wachstumspotenzial, zumal die afrikanischen Exporte von Fisch, Obst und Gemüse nach Europa steigen. Auch die Klimatisierung von Gebäuden ist zunehmend ein Thema sowie die Kühlung im Rahmen von industriellen Prozessen. Zudem profitieren wir vom veränderten Einkaufsverhalten der wachsenden Mittelschicht beziehungsweise von der industriellen Entwicklung in afrikanischen Ländern und rechnen mit einer weiter steigenden Nachfrage.

Was versprechen Sie sich von einer weiteren Expansion in Westafrika?

Interessant ist für uns beispielsweise die Elfenbeinküste: Das Land entwickelt sich als Markt so gut, dass Deutschland das Netzwerk der Auslandshandelskammern (AHK) noch in diesem Jahr um eine lokale Wirtschaftsvertretung in Abidjan erweitern will. Wir freuen uns bereits jetzt auf die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen vor Ort.

Das Land ist wie der Senegal, in dem wir auch aktiv sind, Mitglied der Westafrikanischen Wirtschafts- und Währungsunion (UEMOA), der acht vorwiegend frankophone westafrikanische Staaten angehören. Durch unsere Aktivität in den beiden Ländern versprechen wir uns Zugang zu einer Zollunion mit 130 Millionen Menschen sowie einer einheitlichen Währung. Um den grenzüberschreitenden Handel zu beleben, müssen allerdings weitere Handelshemmnisse abgebaut und funktionierende Zollverfahren etabliert werden. Dieses Ziel verfolgt das 2021 gestartete panafrikanische Freihandelsabkommen AfCFTA (African Continental Free Trade Area). 

Die richtige Unterstützung für das Afrikageschäft

Haben Sie Förderangebote zum Auf- und Ausbau von Geschäftsaktivitäten in Afrika genutzt?

Einige Angebote waren für uns sehr hilfreich – vor allem mit dem AHK-Netzwerk arbeiten wir eng zusammen. Bei der Eröffnung unserer neuen Geschäftsstelle in Kenia 2016 haben wir an einer von der AHK Ostafrika organisierten Geschäftsanbahnungsreise der Exportinitiative Energie teilgenommen. Auch beim Aufbau der Niederlassung in Nigeria ein Jahr später sowie bei der Präsentation der Lösungen unserer Tochterfirma ElectraTherm, die sich auf die Stromerzeugung aus industrieller Abwärme spezialisiert, hat uns die AHK in Nigeria unterstützt. Im Februar 2022 haben wir am Regionalprojekt Lebensmittelverarbeitung inklusive Kreislaufwirtschaft in Ostafrika des Wirtschaftsnetzwerks Afrika teilgenommen. Das Projekt beinhaltete unter anderem eine kostenlose Beratung von 40 Stunden. Wir konnten so von der AHK Ostafrika eine Marktanalyse in Tansania und Uganda durchführen lassen.

Mit dem Branchenexperten für Lebensmittelverarbeitung nutzen wir zudem ein weiteres Unterstützungsangebot des Wirtschaftsnetzwerks Afrika. Über den Branchenexperten Herrn Quashie, der an der AHK in Ghana arbeitet, haben wir bereits sehr wertvolle Kontakte zu lokalen Unternehmen erhalten, mit denen wir weiterhin in Gesprächen für konkrete Geschäftskooperationen sind. In Verhandlungen mit den lokalen Unternehmen – vom ersten Kontakt bis zur Anbahnung oder Durchführung von Kooperationen – ist ein langer Atem gefragt. Dieses und auch andere Angebote des Wirtschaftsnetzwerks Afrika können wir anderen Unternehmen nur empfehlen.  

Was sind die Herausforderungen für Sie bei der Marktentwicklung in Afrika?

In Afrika braucht alles seine Zeit und man muss die europäische Brille absetzen. Ich war bereits vor meiner Zeit bei BITZER fünf Jahre in Nigeria für Firmen und Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit aktiv und weiß daher, wie „Business made in Africa“ tickt. Eine Herausforderung bleibt für uns die Qualifizierung von Fachkräften, vor allem von Servicetechnikern. Das Berufsbild des Kältetechnikers gibt es in vielen beruflichen Bildungseinrichtungen vor Ort nicht. Das heißt, wir müssen selbst aktiv werden. Mit unserer 2016 eröffneten SCHAUFLER Academy, dem internationalen Schulungs- und Trainingszentrum von BITZER in Rottenburg-Ergenzingen, haben wir uns gut aufgestellt. Sie bietet unter anderem Trainings und Seminare zum Umgang mit Komponenten der Kälte- und Klimatechnik sowie alternativen Kältemitteln in verschiedenen Sprachen virtuell und in Präsenz an. Für uns dabei besonders wichtig sind unsere Partnerschaften mit mehreren lokalen Bildungsinstituten in Kenia, im Senegal und in Nigeria.

Welche Tipps würden Sie anderen Unternehmen geben, die den afrikanischen Markt erschließen wollen?

Als junge Frau, die sich für die Entwicklungshilfe interessierte, engagierte und tätig wurde, wollte ich 2010 ganz Nigeria verändern und zu einem Aufschwung verhelfen. Ich stellte jedoch schnell fest, dass nicht Nigeria, sondern ich mich anpassen musste, um akzeptiert zu werden. Dies lässt sich leicht auf die Geschäftskultur übertragen. Wir müssen heute unsere BITZER Produkte adaptieren und dem afrikanischen Markt und der Nachfrage vor Ort anpassen, um erfolgreich zu sein.

Das Interview führten Sabrina Abdelatif vom IHK-Netzwerkbüro Afrika und Anna Brown von der Geschäftsstelle Wirtschaftsnetzwerk Afrika im Juni 2022.

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