Servicetechniker bei der Arbeit

In Afrika ist das Geschäft personengetrieben.

Das Hamburger Familienunternehmen Stulz GmbH liefert Präzisionsklimatechnik für Rechenzentren, industrielle Anwendungen und Kommunikationstechnik. Mit 2.400 Mitarbeitern weltweit setzte das Unternehmen 2019 rund 480 Millionen Euro um. Afrika steht für 6 bis 8 Prozent der 80 Millionen Euro, die das Hamburger Werk mit Endgeräten erwirtschaftet. Zudem liefert die Produktion in Italien Lösungen speziell für Telekommunikationsanwendungen nach Afrika.

Michael Jux verantwortet seit 2010 den Vertrieb für Subsahara-Afrika ohne Südafrika, mit stark wachsenden Geräteumsätzen von zuletzt rund 3 Millionen Euro im Jahr. Ein Gespräch über Vertriebsstrukturen, die Rolle von Consultants und darüber, warum man an manche Kunden nur mit bestimmten Partnern herankommt.

Wege der Projektakquise

Herr Jux, wie gelangt Ihre Kühltechnik zum Endkunden in Subsahara-Afrika?

Michael Jux, Senior Area Sales Manager Subsahara-Afrika bei Stulz Stulz GmbH / André Walther Michael Jux, Senior Area Sales Manager Subsahara-Afrika bei Stulz

Außerhalb von Südafrika zu 80 Prozent über lokale Kontakte in den Zielländern. Dabei geht es meist um Erweiterungen bestehender Rechenzentren, den Austausch von Geräten und andere kleinere Projekte. Bei Großprojekten laufen die wichtigen Kontakte eher über uns in Hamburg, sie stehen für die restlichen 20 Prozent unseres Geschäfts. In Südafrika ist das Verhältnis in etwa umgekehrt: In unserem größten afrikanischen Markt statten wir hauptsächlich neue Rechenzentren aus – und solche großen Projekte laufen häufig über die Zentrale.

Wie helfen Ihre Partner bei kleineren Projekten – Ihrem wesentlichen Geschäft?

Nur sie können den Kontakt zu den Kunden herstellen und pflegen, den es für diese Akquise braucht. Sie hören sich also stetig bei Technikchefs oder Facility Managern nach eventuellem Bedarf um und bieten unsere Produkte an. Im Rahmen einer Werksabnahme hat dann etwa unser kenianischer Partner eine Delegation des Kenya Agricultural Research Institute nach Hamburg eingeladen; dieses Institut untersucht Baumwolle in seinem hochpräzise klimatisierten Labor. Die Leute schwärmen heute noch vom Rodeln im Snowdome hier in Bispingen.

Und wie läuft üblicherweise die Kühltechnik-Beschaffung für ein Großprojekt?

Investoren wollen bei neuen Rechenzentren oder großen Erweiterungen lieber vom Hersteller direkt bedient werden. 2016 lieferten wir 500 Freikühlgeräte an Safaricom, Kenias größten Mobilfunkbetreiber. Vodafone als Safaricom-Mehrheitseigner hatte diese Beschaffung beschlossen und über seinen Zentraleinkauf in Luxemburg abgewickelt. Wir kamen an dieses Geschäft über unseren Key-Account-Manager für Vodafone in Hamburg. Unser Partner in Kenia hat später die Geräte installiert. Jetzt steht eine Erweiterung mit 300 Einheiten an. Die Initiative kam von Safaricom, und wir stehen hierbei wiederum mit Vodafone Luxemburg im Kontakt. Unser kenianischer Partner hätte also auch mit dieser Projektakquise nichts zu tun, falls wir da tatsächlich zum Zuge kommen.

Consultants haben Schlüsselrolle

Wer sind bei solchen Großprojekten Ihre direkten Ansprechpartner?

Das sind technische Consultants, die ein Rechenzentrum im Auftrag des Investors oder des Hauptauftragnehmers komplett durchplanen. Diese Consultants spezifizieren die einzelnen Gewerke wie Server, Stromversorgung oder eben die Kühlung – unser Metier. Wir sind gerade im Gespräch für ein großes Rechenzentrum mit 10 Megawatt Leistung. Es kostet ohne die Server 16 Millionen Euro, davon entfallen 3,5 Millionen Euro auf die Kühlung. Allein die Geräte, das wäre unser Anteil, kosten 2 Millionen. Der Consultant empfiehlt dem Investor eine bestimmte Technologie und Ausstattung und trifft damit eine Vorentscheidung über die Vergabe. Er lässt sich dafür von uns und sicherlich auch von unseren Wettbewerbern technische Einzelheiten ausarbeiten, bis hin zu Unterlagen für die spätere Ausschreibung durch den Investor. Ich habe keinen Kontakt zum Endkunden, unser Partner auch bloß marginal – der wesentliche Kontakt läuft über den Consultant.

Consultants sind also sehr wichtig – wie kommen Sie mit denen ins Geschäft?

Die Consultants kennen natürlich alle "approved suppliers" und nehmen je nach Region mit ihren Ansprechpartnern Kontakt auf, um zusammen eine technische Lösung zu erarbeiten. Jeder Zulieferer versucht dann, den Consultant von seiner individuellen technischen Lösung zu überzeugen. Gelungen ist uns das zum Beispiel bei der Firma Teraco in Südafrika. Dort fanden wir durch unsere hocheffizienten Kältemaschinen ein Alleinstellungsmerkmal, das den Kunden und den gesamten Markt überzeugte.

Wer sind in Subsahara die maßgeblichen Consultants und wer baut Rechenzentren als Hauptauftragnehmer?

Bei großen Projekten handelt es sich bei den Consultants sehr häufig um westliche Firmen. Im frankofonen Afrika werden Rechenzentren dabei oft von französischen Generalunternehmern geplant beziehungsweise errichtet. Wichtig sind auf dem Kontinent auch türkische Hauptauftragnehmer. In Nigeria, Ghana und anderen englischsprachigen Ländern kommen Consultants sehr oft aus den Niederlanden oder auch aus Großbritannien. Daneben gibt es einige einheimische Consultants, die vor allem bei kleineren Vorhaben zum Zuge kommen.

Sind Ihre lokalen Partner trotzdem auch für die Akquise solcher Großaufträge wichtig?

Auf jeden Fall. Diese Projekte mögen im Ausland geplant und vom Consultant vorbereitet werden. Die Entscheidung für die Vergabe trifft aber der Investor. Wenn nicht in einer Konzernzentrale in Übersee, dann ganz oder teilweise vor Ort: Der Consultant präsentiert dem Investor am Tag X die Ausschreibung, in der unsere Kühltechnik spezifiziert ist. Bei den folgenden Preisverhandlungen sitzen der spätere Installateur, unser lokaler Partner und ich mit am Tisch. Der Investor will vor allem sehen, dass wir überhaupt einen lokalen Partner haben, auf den er später für etwaige After-Sales-Angelegenheiten zugreifen kann. Dann ist es extrem wichtig, welchen Eindruck der Kunde von unserem Partner gewinnt; er sollte vor allem durch technische Kompetenz glänzen und geschult sein. Am nächsten Tag nämlich gibt es den gleichen Termin mit unserem Konkurrenten – der vielleicht keinen oder nur einen schlechteren lokalen Partner präsentieren kann.

Partnermanagement ist aufwändig

Sie haben Ihr Partnernetzwerk seit 2010 massiv ausgebaut. Wie finden Sie diese Firmen?

Idealerweise wie in Senegal oder Kamerun: In älteren Rechenzentren der Mobilfunkbetreiber steht teils schon Technik von Stulz. Die Klimatechnik wurde durch unsere Kunden, große Anbieter von Netzwerktechnik, beim Aufbau des afrikanischen Mobilfunks in den 90er- und Nullerjahren beschafft. Wir fragen einfach die aktuellen Netzbetreiber in für uns neuen Ländern, wer diese Technik wartet und instand hält. Bekommen wir die Info, können wir sicher sein, dass die Beziehung zum Kunden stimmt und die Firma bereits Erfahrung mit unseren Geräten gesammelt hat. Ansonsten gelangen wir zu Partnerschaften etwa dadurch, dass wir auf Messen oder im Rahmen von Projekten angesprochen werden.

Sie arbeiten teils also mit mehreren Partnern pro Land zusammen?

In Afrika ist das Geschäft personengetrieben. Ein Partner mag 80 Prozent des Marktes abdecken, er wird beim Rest aber immer außen vor bleiben. An einen wichtigen Kunden in Kisumu verkauften wir nur deshalb, weil einer unserer Vertreter in Kenia ebenfalls aus Kisumu kommt und derselben Volksgruppe angehört. Über unseren anderen Partner wären wir nie an ihn herangekommen, da können Technik oder Preis noch so gut sein.

Aber in Afrika dominieren doch nicht überall Stammesstrukturen.

Natürlich nicht, aber es braucht einfach unterschiedliche Typen, um unterschiedliche Kunden zu gewinnen. Unser erster Vertreter in Äthiopien kommt von der Technik und leistet einen guten Service. Trotzdem arbeiten wir dort auch mit einer Firma zusammen, die ihren Schwerpunkt klar im Vertrieb hat. Dieses Unternehmen verkauft auch sehr gut, Wartung und Reparatur ist dann Schwerpunkt des anderen Partners. Nur so haben wir eine Chance, an mehr der vielen Projekte in diesem wichtigen Wachstumsmarkt zu kommen.

Das hört sich nach Konfliktpotenzial zwischen den Partnern an.

Damit umzugehen ist in der Tat ein wesentlicher Bestandteil meiner Arbeit. Eine gewisse Trennung gibt es dadurch, dass wir typischerweise mit unserem ersten Vertreter in einem Land einen Vertrag haben und mit dem zweiten nicht; da läuft die Zusammenarbeit mehr auf Zuruf. Wenn beide bei öffentlichen Ausschreibungen aufeinandertreffen, gibt es Wettbewerb.

Wie binden Sie Ihre Partner an sich?

Wir beteiligen unsere Partner finanziell auch an Projekten, die wir aus der Zentrale in Hamburg akquiriert haben. Zudem verdient der Partner ja mit Dienstleistungen wie Installation und Wartung. Unsere Partner sind für die Kontakte im jeweiligen Land unabdingbar, und wir achten sehr auf eine Zusammenarbeit, die langfristig beiden Seiten dient.

Schulen Sie Ihre Vertreter?

Bei einem neuen Partner mache ich Trainings zunächst im Land, auch weil speziell jüngere lokale Techniker oft schlecht ein Schengen-Visum bekommen. Schulung geschieht meist im Rahmen eines Projektmeetings und kann kostenlos bleiben. Ich versuche, alle zwei Jahre unsere Partner und Kunden zu besuchen. Später wollen wir die Vertreter natürlich auch mal in Hamburg begrüßen.

Markt wächst rasant

Wie stehen Sie im Wettbewerb?

Bei der technischen Klimatisierung sind wir laut Branchenverband Eurovent in Afrika mit einem Marktanteil von gut einem Drittel die Nummer zwei – ohne Berücksichtigung der chinesischen Hersteller. Größter Wettbewerber ist in den meisten Märkten ein Hersteller aus den USA; Japaner findet man kaum auf dem Kontinent. Unser Afrikaumsatz wächst jährlich um mindestens 10 bis 15 Prozent, auch 2021 wird ein Super-Jahr. Die Nachfrage nach Rechenleistung steigt rasant. Was wir anderswo schon längst haben – Anbieter von Hyperscale-Rechenzentren für die internationalen Riesen der Branche –, das entwickelt sich in Afrika jetzt erst.

Welche besonderen Herausforderungen sehen Sie im Markt?

Die neuen großen Rechenzentren werden vielfach von Chinesen gebaut. Die stellen so ein Zentrum oft in Eigenregie hin und haben dafür ihre eigene Technik. Andere Lieferanten wie auch wir werden bei solchen Projekten bislang leider nicht berücksichtigt. Wenn ein Kunde aber nicht den bequemen Weg geht, sondern ein maßgeschneidertes, zum Beispiel besonders energieeffizientes Rechenzentrum will, dann wird er eher nicht bei den Chinesen anfragen. Sondern Consultants beauftragen – womit prinzipiell auch wir im Geschäft sind.

Gibt es bei Rechenzentren, die die Chinesen gebaut haben, trotzdem Geschäftschancen?

Auf jeden Fall. Die Chinesen haben kaum lokale Partner, weil sie mit eigener Mannschaft alle Gewerke bedienen. Für den Service nach Inbetriebnahme, für Erweiterungen oder individuelle Anpassungen sind Kunden durchaus an neuen Partnern interessiert: dann nämlich, wenn das chinesische Projektmanagement schon wieder weg ist. Ein Beispiel wäre die Kühlung für eine unterbrechungsfreie Stromversorgung oder für zentrale Schaltanlagen.

Das Interview führte Ulrich Binkert von Germany Trade & Invest im September 2021.

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