Marokko hat sich im vergangenen Jahrzehnt zu einem wichtigen Industriezentrum für Investoren aus der ganzen Welt entwickelt. In unmittelbarer Nähe zu Europa ist das Land außerdem ein interessanter Logistikstandort. Es lockt ausländische Unternehmen mit einer guten Infrastruktur und steuerlichen Anreizen.
Das Königreich gilt als stabil und zugleich offen für private Unternehmen. In speziellen industriellen Sonderzonen haben sich zahlreiche Firmen aus Amerika, Asien und Europa angesiedelt. Besonders stark vertreten sind der Automobilsektor und die Flugzeugindustrie. Traditionell spielt in der Außenwirtschaft weiterhin die Textilindustrie eine wichtige Rolle und zunehmend auch die Landwirtschaft.
Im Dienstleistungsbereich hat sich Marokko zu einem wichtigen Finanzstandort entwickelt und der Tourismus ist ebenfalls von Bedeutung. Mit Ägypten und Südafrika gehört Marokko zu den drei meist besuchten Urlaubszielen in Afrika. In Zukunft könnte auch der Informations- und Kommunikationssektor an Relevanz gewinnen.
Der Klimawandel ist für Marokko eine Herausforderung, denn die zunehmende Anzahl an Dürrejahren beeinträchtigt die Landwirtschaft. Zugleich bieten das wachsende Interesse an Strom aus erneuerbaren Energien und die Produktion von grünem Wasserstoff auch ein großes Entwicklungspotenzial für das Land.
Das Länderprofil wurde zuletzt im August 2023 aktualisiert.
Marokkos Nahrungsmittelverarbeitung gilt als Top-Wachstumsbranche. Das Potenzial des Sektors ist längst nicht erschöpft: Während der Agrarsektor bis zu 14 Prozent am Bruttoinlandsprodukt ausmacht, kommt die Nahrungsmittelverarbeitung lediglich auf etwa 5 Prozent. Der Verarbeitungsgrad landwirtschaftlicher Produkte soll im Rahmen der Strategie „Generation Green“ steigen. Dafür ist Ausrüstung zum industriellen Auf- oder Zubereiten sowie zum Herstellen von Lebensmitteln gefragt.
Automobilindustrie
Marokkos Automobilbauer wollen bis zum Jahr 2030 ihre Kapazitäten auf 2 Millionen Fahrzeuge pro Jahr ausweiten. Rund 480.000 Fahrzeuge wurden 2022 in 180 Fabriken mit insgesamt 220.000 Angestellten produziert. Im Windschatten von Renault, Dacia, Peugeot und Citroën kommen nach und nach Komponenten- und Teilehersteller ins Königreich. Zahlreiche deutsche Zulieferunternehmen sind bereits an dem Near-Shoring-Standort vertreten, darunter Leoni, Kromberg & Schubert, Prettl, Kostal, Schlemmer oder Stahlschmidt.
Wasser und Umwelt
Bevölkerungswachstum, Urbanisierung sowie die kontinuierlich steigende Nachfrage aus Landwirtschaft, Industrie und Tourismus fordern die marokkanische Wasserwirtschaft heraus. Das Land investiert deshalb kräftig in die Meerwasserentsalzung. Ebenfalls ausgebaut und modernisiert werden Dämme, Bewässerungssystemen für den Agrarsektor sowie die Trink- und Abwasserversorgung.
Energiewirtschaft
Marokko positioniert sich auf dem Zukunftsmarkt für grünen Wasserstoff. Bei erneuerbaren Energien hat man bereits vorgelegt: Das Ziel des Königreichs, bis zum Jahr 2030 insgesamt 52 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Quellen zu generieren, könnte sogar übertroffen werden. Mit Hilfe von ausländischen Investitionen entwickelt sich eine international wettbewerbsfähige Wasserstoffindustrie. Neben Wasserstoffanlagen entstehen weitere Solar- und Windparks.
Textil und Bekleidung
Die marokkanische Textil- und Bekleidungsindustrie ist auf einem guten Weg, verloren gegangene Marktanteile zurückzugewinnen. Für deutsche Anbieter von Anwendungen im Bereich Industrie 4.0 gilt Marokko als Zukunftsmarkt. Die Einführung nachhaltiger Produktionsverfahren ist erforderlich, um bei Exporten in die EU konkurrenzfähig zu bleiben. Auch Nischenprodukte, etwa im Bereich Industrietextilien, und eine Ausrichtung auf andere afrikanische Absatzmärkte bieten Potenzial für die Zukunft.
Die Analysen beleuchten neben der Marktentwicklung auch politische Rahmenbedingungen, aktuelle und geplante Projekte sowie Geschäftschancen für deutsche Unternehmen.
Marktzugang
Rechtlicher Rahmen, Gründen, Investieren
Das marokkanische Rechtswesen orientiert sich weitgehend am französischen Recht. Das marokkanische Handelsgesetz von 1913 beruht im Wesentlichen auf dem französischen Code de Commerce von 1807. Während auch der Allgemeine Teil des marokkanischen Zivilgesetzbuchs in weiten Teilen dem französischen Zivilgesetzbuch gleicht, finden sich im Besonderen Teil auch Elemente aus dem islamischen Recht. Wie in den meisten arabischen Ländern findet darüber hinaus im Bereich des Erb- und Familienrechts eine Form des islamischen Scharia-Rechts Anwendung.
Die prozesseinleitende Klageschrift muss von einem zugelassenen Rechtsanwalt verfasst und unterzeichnet sein, somit besteht vor den Handelsgerichten Anwaltszwang (Art. 13 LJC). Vor den Zivilgerichten besteht jedoch kein Anwaltszwang.
Bevor die Entscheidung eines ausländischen Gerichts in Marokko vollstreckt werden kann, muss sie in einem Exequaturverfahren für vollstreckbar erklärt werden. Zuständig ist das erstinstanzliche Gericht, also das Gericht, das zuständig gewesen wäre, wäre der Rechtsstreit in Marokko ausgetragen worden.
Grundsätzlich werden Schiedsklauseln von marokkanischen Gerichten bei grenzüberschreitenden Sachverhalten anerkannt. Anders ist es im Bereich des Vertriebsrechts, da die gesamten Handelsvertreterregelungen dem ordre public unterliegen. Zudem hält das marokkanische Prozessrecht eigene Vorschriften zur Anerkennung ausländischer Schiedssprüche vor.
Grundsätzlich kann in Marokko jede/r frei investieren. Ausländer können grundsätzlich bis zu 100 Prozent der Anteile an marokkanischen Kapitalgesellschaften halten.
Um das Verfahren für einen Investor zu vereinfachen, wurde die Agence Marocaine de Développement des Investissements (AMDI) gegründet. Als One-Stop-Shop berät AMDI zu allen Fragen in Zusammenhang mit der Investition.
Die Investitionsfördermaßnahmen des Investitionsgesetzes (Loi cadre no. 18-95 formant charte de l’investissement - InvestitionsG) bieten Investitionsanreize für exportorientierte Unternehmen, Investitionen in den Freihandelszonen sowie Investitionen in besonderen Regionen, von besonderer Größe oder in bestimmten Branchen. Sie gelten für ausländische und inländische Investoren gleichermaßen. Allerdings gibt es Sonderregelungen in den Bereichen Landwirtschaft, Bankenwesen, im Erdgas- und -Ölsektor sowie für die Freihandelszonen.
Rechtsgrundlage für das marokkanische Steuerrecht ist der Code Général des Impôts (CGI).
Körperschaftssteuer: bis 300.000 MAD – 10 %, bis 1.000.000 MAD – 20 % und über 1.000.000 MAD – 31 %
Für Banken, Leasing- und Versicherungsgesellschaften: 37 %
Gewinne für Unternehmen in der Tourismusbranche: komplette Befreiung für 5 Jahre, dann 20 %
Ausländische Ingenieur- oder Bauunternehmen, die Projekte in Marokko durchführen: statt 30 % ist eine Pauschalbesteuerung in Höhe von 8 % möglich
Einkommenssteuer: Zwischen 10 und 38 %, je nach Einkommen
Mehrwertsteuer: 20%
reduziert 7 % für u.a. Medikamente, Treibstoff, Wasser, Elektrizität; 10 % u.a. für Leistungen der Gastronomie und Tourismusbranche; 14 % für Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Beförderung von Personen und Waren
Neben Zöllen und der Einfuhrumsatzsteuer können auch Verbrauchssteuern und Sonderabgaben anfallen. Dazu gehören etwa eine Umweltabgabe für Kunststoffe, eine Steuer auf importiertes Holz und Zement sowie eine Steuer auf Bier und Wein.
Europäische Unternehmen profitieren vom Assoziierungsabkommen mit Marokko, denn für Waren mit Ursprung in der EU gelten günstigere Zollsätze. Voraussetzung ist die Vorlage eines Präferenznachweises (EUR. 1 oder EUR-MED).
Die Zollanmeldung soll grundsätzlich elektronisch im System BADR eingereicht werden. Es werden aber auch Ausnahmen gewährt. Für Waren ohne Einfuhrbeschränkungen ist ein "engagement d'importation" einzureichen. Für Waren, die Einfuhrbeschränkungen aufgrund von Sicherheitsbestimmungen oder Einfuhrquoten unterliegen, ist eine Einfuhrlizenz (licence d'importation) erforderlich.
Unternehmen können den Status des zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten (AEO) bei der marokkanischen Zollverwaltung beantragen, um Vergünstigungen bei sicherheitsrelevanten Zollkontrollen und Erleichterungen bei der Zollabwicklung zu erhalten. Die Zollverwaltung Marokkos wird zurzeit digitalisiert.
Für den Import vieler Produkte ist ein Konformitätszertifikat notwendig, das die Einhaltung der marokkanischen Normen und Qualitätsstandards bestätigt. Seit 2020 müssen zahlreiche Industriewaren bereits im Exportland geprüft werden (Vorversandkontrolle). Dazu gehören unter anderem elektrische Geräte, Textilien, Baustoffe, chemische Produkte und Autoersatzteile.
Für die Vorversandkontrolle besitzen fünf Unternehmen eine Akkreditierung: Bureau Veritas, TÜV Rheinland, Applus Fomento, SGS Maroc und Intertek Labtest. Die zuständige Stelle für Standardisierung ist das Institut Marocain de Normalisation (IMANOR).
Für gebrauchte Waren oder pharmazeutische Erzeugnisse sind Einfuhrlizenzen erforderlich, für Lebens- oder Arzneimittel muss eine Einfuhrgenehmigung vorgelegt werden. Daneben gibt es Etikettierungsvorgaben wie das marokkanische Konformitätszeichen "Cmim" sowie nationale Standards und Vorgaben zur Nutzung lokal hergestellter statt importierter Waren.
Die Fluktuation ist in Marokko hoch, das Gehaltsgefüge undurchsichtig. Unternehmen vor Ort beschreiben es als schwierig, qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden und zu halten. Gleichzeitig fühlen sich viele, vor allem junge Menschen überqualifiziert und unterbezahlt.
Einen detaillierten Überblick über die Lage am Arbeitsmarkt, Löhne und den arbeitsrechtlichen Rahmen in Marokko gibt die GTAI-Publikation Lohn- und Lohnnebenkosten Marokko.
In Marokko engagieren sich verschiedenste Geber. An erster Stelle EU-Institutionen, aber auch die Weltbank, die französische Agence Française de Développement oder die Vereinten Nationen stellen Finanzierung für öffentliche Vorhaben bereit. Schwerpunkte der deutschen bilateralen Zusammenarbeit sind die nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und Beschäftigungsförderung, erneuerbare Energien und Wasser. Zur Umsetzung all dieser Vorhaben werden viele Aufträge international ausgeschrieben. Auch deutsche Unternehmen können davon profitieren. Im Jahr 2018 gab es die meisten internationalen Ausschreibungen zu Consultingleistungen und im Bereich Wasser und Abwasser.
Einen Überblick über Geschäftschancen bei öffentlichen Aufträgen gibt Germany Trade & Invest (GTAI) im Bericht Entwicklungszusammenarbeit mit Marokko. Bei GTAI finden Sie zudem aktuelle
Das Wirtschaftsnetzwerk Afrika und weitere Institutionen der Außenwirtschaftsförderung bieten verschiedene Maßnahmen in ausgewählten Branchen an, um deutschen Unternehmen die Erschließung des Zielmarktes Marokko zu erleichtern.
Das Markterschließungsprogramm (MEP) erleichtert kleinen und mittleren Unternehmen den Einstieg in ausländische Märkte und bietet aktuell Maßnahmen für Marokko an.
Die Hermesdeckungen schützen Exporteure und Banken bei Geschäften mit marokkanischen Handelspartnern vor wirtschaftlich und politisch bedingten Zahlungsausfällen.
Das Kompetenzzentrum an der Deutsch-Emiratischen Industrie- und Handelskammer flankiert deutsche Exportgeschäfte in der MENA-Region und bietet Unterstützung bei Transaktionen.
Die Sonderinitiative "Gute Beschäftigung für sozial gerechten Wandel" unterstützt Unternehmen bei ihrem Engagement in Afrika. Ziel ist, bis zu 100.000 Arbeitsplätze zu schaffen.
Der hessische Schweißtechnikhersteller Abicor Binzel hat in Marokko eine Niederlassung eröffnet. Denn auch bei diesem Mittelständler gilt das Land als Tor nach Westafrika.
Die Data Center Group aus Wallmenroth plant, baut, betreibt und wartet Rechenzentren. In Afrika hat das Unternehmen Projekte in Mosambik, Marokko und Ägypten realisiert.
Für den deutschen Lehrmittelanbieter Christiani lohnt sich das Engagement in Nordafrika, auch wenn die Finanzierung immer wieder eine Herausforderung ist.
Fritz Sacher, CEO von Pioneering Africa und Vorstandsmitglied der DAWA Group Kenya, beschreibt im Interview die Rolle Marokkos als regionaler Pharmahub.
AMS will in Marokko führender Anbieter von medizinischen Bildgebungssystemen werden. Mitgründer Oussama Benmessaoud beschreibt Chancen und Herausforderungen des Marktes.
In Marokko hat Ottobock etwa 90 Prozent der öffentlichen Werkstätten für Orthopädietechnik ausgerüstet. So hat die Coronakrise das Geschäft für Ottobock verändert.
Brunnenbau, Bewässerung, Agrarinvestment, Management - Dr. Christoph Ganzer beschreibt, warum die "Alles-Aus-Einer-Hand-Lösung" von Ganzer Technology so geschätzt ist.