Welche Rahmenbedingungen brauchen Unternehmen, um erfolgreich in Afrika zu investieren? Welche Faktoren sind entscheidend für ihren Erfolg? Welche Potentiale bieten die einzelnen Länder? Wie sollten Vertriebsstrukturen gestaltet werden?

Forscher im Gespräch mit Geschäftsleute

Zu diesen Fragen forscht Professor Rainer Thiele am "Kiel Institute Africa Initiative" in Kooperation mit der Hochschule Reutlingen und afrikanischen Institutionen. Einzelne Forschungsteams haben hierzu ihre Aktivitäten gebündelt. Sie führen unter anderem Länderstudien mit mehreren hundert Unternehmen in Ghana und Nigeria durch, schauen sich Vertriebspartnerschaften an und analysieren makroökonomische Daten. Das Wissen darüber kann auch deutsche Unternehmen bei ihren Investitionsentscheidungen unterstützen. Das Forschungsvorhaben wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und Bundesministerium für Finanzen (BMF) gefördert.

Herr Prof. Thiele, was sollten wir über die Wirtschaft in Afrika erfahren?

Wir wissen relativ wenig darüber, unter welchen Bedingungen Unternehmen in Afrika erfolgreich sind. Außerdem sollten wir mehr darüber erfahren, wo die Chancen liegen. Wir sehen uns etwa das Verarbeitende Gewerbe genauer an.

Wir wollen uns auch ansehen, welche Auswirkungen die demografische Entwicklung hat. Das Bevölkerungswachstum wird ja meist als Gefahr gesehen. Es kann aber auch positive Effekte haben. Der Anteil der aktiven Bevölkerung ist groß und das könnte hohe Wachstumszahlen zur Folge haben. Das Entstehen einer Mittelschicht könnte wiederum zu vermehrter Nachfrage nach hochwertigen Produkten aus Europa führen.

Des Weiteren wollen wir aufzeigen, dass es eine große Heterogenität gibt. Es gibt Länder, die attraktiver sind. Auch innerhalb der Länder ist die wirtschaftliche Situation unterschiedlich. In Nigeria sehen wir etwa in Lagos eine dynamische Start-up-Szene, während in weiten Teilen des Landes die Investitionsbedingungen sehr schwierig sind.

Prof. Rainer Thiele

Zur Person

Prof. Dr. Rainer Thiele ist Direktor der "Kiel Institute Africa Initiative" und Honorarprofessor an der CAU Kiel. Er hat an der CAU Kiel studiert und dort auch promoviert. Seine derzeitigen Forschungsschwerpunkte umfassen die Analyse der Auswirkungen großflächigen Landerwerbs in Afrika südlich der Sahara auf die ländliche Bevölkerung sowie die Evaluierung der Allokation und Effektivität der Entwicklungshilfe. Er hat seine Forschungsergebnisse in renommierten Fachzeitschriften wie Economic Journal und Journal of Development Economics veröffentlicht.

Was können Sie durch die Mittel des Wirtschaftsministeriums und Finanzministeriums zusätzlich leisten?

Das Projekt ist sehr gut geeignet, die Forschung zu bündeln. In Kiel hatten wir verschiedene Zweige, die sich mit Afrika beschäftigt haben. Diese können wir jetzt besser koordinieren. Wir kooperieren außerdem mit der Hochschule Reutlingen. Insgesamt sind wir etwa fünfzehn forschende Personen.

Bisher war die Forschung zur Wirtschaft in Afrika nicht richtig sichtbar. Ein Grund war die fragmentierte Forschung. Das Forschungsprofil wird geschärft und die Forschung lösungsorientierter. Mit der engeren Kooperation werden wir sichtbarer.

Was sind konkrete Themen Ihrer Forschung?

Wir untersuchen etwa die Erfolgsfaktoren von schnell wachsenden Unternehmen in Ghana. Wir wollen herausfinden, welche Determinanten für ihren Erfolg entscheidend sind.

Ein anderes Thema sind Lieferkettengesetze. Die Franzosen haben schon seit einigen Jahren ein solches Gesetz. Wir wollen erfahren, ob sich die französischen Unternehmen anpassen und wenn, wie.

Eine weitere Gruppe beschäftigt sich mit makroökonomischen Daten. Mit Hilfe der Daten wollen wir die Potenziale einzelner afrikanischer Länder besser analysieren und einen Wachstumskompass für wichtige afrikanische Volkswirtschaften erstellen.

Welchen Nutzen hat die Forschung für die Unternehmen?

Die Länderstudien in Ghana und Nigeria könnten interessante Ergebnisse liefern. In beiden Ländern sehen wir uns die Erfolgsbedingungen von mehreren hundert Unternehmen an. Das Wissen darüber kann auch für deutsche Unternehmen spannend sein.

Die Hochschule Reutlingen schaut sich wiederum unter anderem die Vertriebspartnerschaften von Unternehmen an. Philipp von Carlowitz und sein Team wollen herausfinden, wie der Vertrieb gestaltet werden muss, damit er erfolgreich ist.

Wie kooperieren Sie mit afrikanischen Institutionen?

In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Zusammenarbeit deutlich verändert. Vor zwei Jahrzehnten haben die afrikanischen Partner häufig zugeliefert und haben wenig von dem wissenschaftlichen Erfolg profitiert. Inzwischen liefern sie aber nicht nur die Daten, sondern sind Teil einer kooperativen Forschung. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Forscherinnen und Forscher in Afrika besser ausgebildet sind.

Wie geht es weiter?

Wir hoffen auf eine mittelfristige Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sowie dem Bundesministerium für Finanzen. Wir wollen die Forschung fortführen und weiterentwickeln. Es gibt noch viele offene Fragen: Was zeichnet eine gute Regierungsführung aus, welche Investitionen bewirkt sie und wo finden wir diese in Afrika? Wie stellt man sicher, dass genügend gut ausgebildete Arbeitskräfte zur Verfügung stehen? Wie können afrikanische Unternehmen wettbewerbsfähiger und gleichzeitig umwelt- und klimafreundlicher werden?

Wir haben jetzt den ersten Schritt gemacht. Es gibt noch viel Potenzial für weitere erfolgreiche Arbeit.

Über das Forschungsprojekt "Cluster der wirtschaftswissenschaftlichen Afrikaforschung"

Das Institut für Weltwirtschaft in Kiel (IfW) und die ESB Business School der Hochschule Reutlingen analysieren seit Anfang des Jahres 2021 die Aktivitäten und Bedingungen deutscher Unternehmen auf dem afrikanischen Kontinent. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) sowie das Bundesministerium für Finanzen (BMF) fördern das "Cluster der wirtschaftswissenschaftlichen Afrikaforschung". Sie wollen damit mittelfristig die privatwirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Afrika stärken.

Mehr zum Thema

Das Interview führte Michael Monnerjahn von Germany Trade & Invest im Februar 2022.

Weitere Inhalte zum Thema: